Umfang der Minderheitsrechte und deren Geltendmachung

[Ohne Titel]

Dr. Martin Lohr, Notar[*]

Die in § 50 GmbHG geregelten Minderheitsrechte sind von erheblicher Bedeutung: Ist eine GmbH geschäftsführerlos oder bleibt der Geschäftsführer trotz entsprechender Aufforderung untätig, können Gesellschafter, deren Beteiligung mindestens 10 % des Stammkapitals beträgt, selbst die Versammlung einberufen (§ 50 Abs. 3 GmbHG). Als weiteres Selbsthilferecht regelt § 50 Abs. 2 GmbHG die Möglichkeit, die Ergänzung der Tagesordnung einer bereits anberaumten Gesellschafterversammlung durchzusetzen. Der Beitrag beinhaltet eine kurze Zusammenfassung der Selbsthilferechte und schließt mit einem Formulierungsvorschlag ab.

[*] Der Autor ist Notar in Neuss.

1. Die Systematik der Minderheitsrechte in § 50 GmbHG

Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens 10 % des Stammkapitals entsprechen, können unter Angabe des Zwecks und der Gründe von der Geschäftsführung verlangen, dass eine Gesellschafterversammlung einberufen wird (§ 50 Abs. 1 GmbHG). Wird dem nicht Folge geleistet oder ist die GmbH geschäftsführerlos, können die Gesellschafter selbst die Einberufung vornehmen (§ 50 Abs. 3 S. 1 GmbHG). Ebenso können Gesellschafter, deren Gesamtbeteiligung mindestens 10 % beträgt, die Ankündigung bestimmter Tagesordnungspunkte verlangen (§ 50 Abs. 2 GmbHG) und diese im Falle einer Verweigerung selbst ankündigen (§ 50 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 GmbHG).

Vorstufe beider Rechte sind – sofern die GmbH nicht geschäftsführerlos ist bzw. sofern kein anderer Einladungsberechtigter vorhanden ist – eine vorausgehende Aufforderung an den Geschäftsführer (GF) (oder sonstigen zur Einberufung Befugten) und der ergebnislose Ablauf einer angemessenen Frist.

2. Erfordernis der 10%igen Beteiligung

Der Gesetzgeber hat – abweichend von anderen Gesellschafterrechten wie z.B. dem Auskunfts- und Einsichtsrecht nach § 51a GmbHG – nicht jedem Gesellschafter das Einberufungsrecht eingeräumt, sondern das Erfordernis obiger Mindestbeteiligung vorgesehen. Das Recht kann

  • entweder durch einen Gesellschafter, dessen Beteiligung dieser Höhe entspricht, oder
  • durch mehrere Gesellschafter, deren Beteiligung zusammengerechnet die 10 %-Grenze des Stammkapitals (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG) erreicht,

ausgeübt werden (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 50 Rz. 4).

Für die Beteiligungsquote ist die aktuelle Gesellschafterliste entscheidend, denn nur die dort verzeichneten Personen gelten im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter (§ 16 Abs. 1 GmbHG). Auch Gesellschafter, die bei der begehrten Entscheidung einem Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 GmbHG unterliegen, sind zu berücksichtigen (BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, GmbHR 2014, 863 = GmbH-StB 2014, 256 [Krämer] [zum Testamentsvollstrecker, der trotz Stimmverbots ein Einberufungsverlangen stellen kann]). Außer Betracht bleiben indes wirksam kaduzierte und eingezogene Anteile (Wicke, 4. Aufl. 2020, § 50 Rz. 2; Schmidt / Nachtwey in Beck’sches Hdb der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 4 Rz. 4).

Beachten Sie: Die Mindestbeteiligungsquote gilt auch dann, wenn keine Präsenzversammlung, sondern eine Entscheidung

  • im Umlaufverfahren oder
  • im Wege der Videokonferenz

verlangt wird (s. auch KG v. 7.9.2022 – 23 U 120/21, MDR 2022, 1419 [zu § 2 COVMG], die Entscheidungsgrundsätze sind gleichermaßen für die Neufassung des § 48 GmbHG heranzuziehen).

3. Das Einberufungsverlangen als Vorstufe des Selbsthilferechts

Das Selbsthilferecht setzt die vorherige – auch formlos mögliche – Aufforderung zur Einberufung unter Darlegung

  • der Gründe und
  • der Eilbedürftigkeit

voraus (zu den Anforderungen des Aufforderungsschreibens: OLG Brandenburg v. 18.8.2021 – 6 U 159/18, zit. nach juris). Erst wenn der GF untätig bleibt, kann die Gesellschafterminderheit die Einladung selbst vornehmen.

Fristaspekte: Die Einberufungsverlangenden können dem GF keine Frist vorgeben; dieser muss jedoch in angemessener Frist reagieren. Maßgebend für die Frist sind die Bedeutung und Dringlichkeit des Einberufungsverlangens (OLG Stuttgart v. 14.1.2013 – 14 W 17/12, GmbHR 2013, 535; s. auch Rupietta in Meyer/Landrut, Formular-Kommentar GmbH-Recht, 4. Aufl. 2019, C I 3 Rz. 22). Der GF muss auch dann einladen, wenn er die dargelegten Gründe nicht für überzeugend hält (OLG Düsseldorf v. 28.4.2016 – 6 U 99/15, zit. nach juris). Er kann auch nicht anstelle einer Präsenzversammlung eine schriftliche Beschlussfassung nach § 48 Abs. 2 GmbHG anordnen (Schmidt / Nachtwey in Beck’sches Hdb der GmbH, 6. Aufl. 2021, § 4 Rz. 17).

4. Entbehrlichkeit der Aufforderung (§ 50 Abs. 1 GmbHG) bei der geschäftsführerlosen GmbH

Ist die Gesellschaft geschäftsführerlos und ist auch im Übrigen kein Einladungsberechtigter (z.B. ein Gesellschafter, der aufgrund Satzungsregelung zur Einberufung berechtigt ist) vorhanden, kann die Einladung hingegen unmittelbar durch die Gesellschafterminderheit erfolgen. Aus der Regelung des § 50 Abs. 3 GmbH folgt, dass die Mehrheit nicht auf die Bestellung eines Not-GF (zu den Voraussetzungen der Bestellung eines Not-GF: OLG Karlsruhe v. 27.4.2022 – 1 W 71/21, GmbHR 2022, 1349) verweisen kann. Wurde ein GF abberufen, kann er auch dann nach der Abberufung nicht wirksam zur Gesellschafterversammlung laden, wenn sein Ausscheiden als GF no...

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