OFD Karlsruhe, Verfügung v. 28.11.2003, S 1301 A - St 334/CH
Bedienstete des öffentlichen Diensts sind in der Schweiz in der AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung; sog. 1. Säule) und nach dem BVG (Berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge; sog. 2. Säule) obligatorisch (verpflichtend) versichert. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber leisten in diese Versicherungen Beiträge. Zu den Einzelheiten des Schweizer Vorsorgesystems siehe Grenzgängerhandbuch Fach B Teil 2 Nr. 2.
Soweit eine obligatorische Versicherung bei der AHV besteht, sind sich die Vertragsstaaten Deutschland und Schweiz einig, dass es sich um sonstige Bezüge i.S. des Art. 21 DBA handelt, somit das Besteuerungsrecht ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat zusteht. Wenn ein in Deutschland ansässiger Stpfl. eine Rente aus der AHV bezieht, werden diese Rentenbezüge in Deutschland nach § 22 EStG mit dem Ertragsanteil ohne Anrechnung einer schweizerischen Steuer besteuert. Der Schweiz steht kein Quellenbesteuerungsrecht zu.
Sofern eine obligatorische Versicherung in einer Pensionskasse (Kasse i.S. des BVG) besteht, handelt es sich nach schweizerischer Ansicht bei Vergütungen, die an die ehemals im öffentlichen Dienst beschäftigten Stpfl. gezahlt werden, um Leistungen aus einem Sondervermögen nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 DBA, für die die Schweiz als Kassenstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht (Quellensteuereinbehalt von derzeit 10 %) bzw. bei ehemaligen Grenzgängern das Recht auf Erhebung einer Abzugssteuer von 4,5 % hat (Art. 19 Abs. 5i.V. mit Art. 15a DBA). Nach deutscher Auffassung fallen jedoch auch diese Leistungen unter Art. 21 DBA, da sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer Beiträge in die Pensionskasse nach dem BVG entrichten und daher kein „Ruhegehalt” i.S. von Art. 19 Abs. 1 DBA vorliegt. Die schweizerische Abzugssteuer wurde daher – wie bei den Leistungen aus der AHV – bisher nicht auf die deutsche Steuer angerechnet.
Hinsichtlich dieser Problematik waren bereits in mehreren Einzelfällen Verständigungsverfahren zur Behebung der eingetretenen Doppelbesteuerungssituation anhängig (z.B. hinsichtlich der Renten aus der Pensionskasse des Basler Staatspersonals, aus der Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich und aus der Kantonalen Pensionskasse Schaffhausen). Eine Einigung der Vertragsstaaten konnte jedoch nicht erzielt werden.
Es bestehen keine Bedenken, wenn zur Beseitigung einer eingetretenen Doppelbesteuerungssituation der betroffenen Stpfl. die schweizerische Steuer im Rahmen der Höchstbeträge des § 34c Abs. 1 EStG auf die deutsche ESt angerechnet wird. Diese Anrechnung stellt zur Vermeidung von langwierigen Verständigungsverfahren eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen dar (§ 163 AO).
Dabei ist zu beachten, dass Art. 15a gegenüber Art. 19 Abs. 1 DBA Vorrang hat (Art. 19 Abs. 5 DBA). Wenn ein Arbeitnehmer in seiner aktiven Zeit die Grenzgängereigenschaft erfüllt hat, ist in der Schweiz der Quellensteuerabzug auch auf das „Ruhegehalt” auf 4,5 % der Bruttobezüge begrenzt (Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA). Nach § 34c Abs. 1 EStG kann hier nur die Schweizer Steuer angerechnet werden, die keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegt (4,5 % der Bruttobezüge).
Die Verfügung vom 31.7.2000 ist überholt, ein Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO ist nicht mehr erforderlich. Sofern gem. dieser Verfügung die ESt-Veranlagungen der betroffenen Stpfl. vorläufig durchgeführt werden, können die Vorläufigkeitsvermerke bei Gelegenheit aufgehoben werden.
Normenkette
DBA-Schweiz Art. 15a
DBA-Schweiz Art. 19 Abs. 1
DBA-Schweiz Art. 21;
EStG § 22
EStG § 34c Abs. 1