Leitsatz
Art. 26 Abs. 3 u. 4 DBA Schweiz ermächtigt die Finanzverwaltungen zum Erlass einer Verständigungsvereinbarung. Diese wurde für Abfindungszahlungen derart ausgeübt, dass im vorliegenden Fall Deutschland als früherem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zugewiesen wurde und nicht der Schweiz als Ansässigkeitsstaat. Da diese Vereinbarung jedoch dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA Schweiz widerspricht, kann sie keine Rechtskraft entfalten.
Sachverhalt
Die Klägerin ist durch Wegzug aus Deutschland ab 2006 in der Schweiz ansässig. Sie hat in 2006 eine Abfindungszahlung für eine bis 2005 in Deutschland ausgeübte Tätigkeit erhalten. Hierfür weist Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA Schweiz das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat und damit der Schweiz zu. Das Finanzamt lehnte die beantragte Freistellung ab, da eine Verständigungsvereinbarung mit der schweizerischen Steuerverwaltung getroffen wurde, die das Besteuerungsrecht für Abfindungen dem früheren Tätigkeitsstaat und damit Deutschland zuweise. Zum Erlass einer derartigen Verständigungsvereinbarung seien die beteiligten Behörden nach Art. 26 Abs. 3 und 4 des DBA berechtigt gewesen. Darüber hinaus ergebe sich auch ein inländisches Besteuerungsrecht aus der sog. überdachenden Besteuerung des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA Schweiz, da die Wohnsitzverlegung der Klägerin in die Schweiz nicht überwiegend aus Anlass einer dortigen Arbeitsaufnahme, sondern aus privaten Gründen erfolgt sei.
Entscheidung
Die Klage ist zulässig und begründet. Nach Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz steht Deutschland kein Besteuerungsrecht an der Abfindungszahlung zu, da die Klägerin ab 2006 nicht mehr in Deutschland, sondern in der Schweiz ansässig war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der genannten Verständigungsvereinbarung, da die Verwaltung nicht zum Abschluss einer derartigen Vereinbarung ermächtigt war. Eine Verständigungsvereinbarung kann norminterpretierenden Charakter haben oder eine Billigkeitsregelung enthalten. Sie kann aber weder selbständige Besteuerungstatbestände schaffen noch gesetzlich normierte Besteuerungstatbestände zu Lasten des Steuerpflichtigen ändern. Eine Verständigungsvereinbarung, die die Regelungen des DBA Schweiz ändert oder ihnen gar widerspricht, hat keine Außenwirkung. Aus Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz ergibt sich eindeutig aus dem DBA selbst, welcher Staat das Besteuerungsrecht hat. Dieses steht demnach dem Ansässigkeitsstaat und damit der Schweiz zu.
Des Weiteren ergibt sich auch kein Besteuerungsrecht Deutschlands aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA Schweiz, da die Klägerin entsprechende berufliche Gründe für den Wegzug in die Schweiz glaubhaft machen konnte.
Hinweis
Die Entscheidung des Finanzgerichts ist zu begrüßen. Sie stellt klar, dass die in DBA häufig vorkommenden Verständigungsvereinbarungen der Finanzverwaltungen der beteiligten Länder keinen rechtsetzenden Charakter haben dürfen, sondern lediglich der Norminterpretation dienen. Die Entscheidung betont ausdrücklich, dass die Auferlegung von Steuerpflichten der parlamentarischen Gesetzgebung vorbehalten ist und weist damit die Finanzverwaltung in ihre Grenzen. Darüber hinaus verdeutlicht der Fall, dass die deutsche Finanzverwaltung im Fall des Wegzugs in die Schweiz typischerweise von einer steuerlich als Missbrauch anzusehenden Gestaltung ausgeht. Dem steuerlichen Berater ist bereits im Vorfeld des Wegzugs eine ausführliche Dokumentation des Vorfalls unter Betonung der nichtsteuerlichen Beweggründe zu empfehlen.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 24.10.2008, 8 K 3902/07