Die mutmaßliche Bedeutung einer Minderabführung gem. § 14 Abs. 4 Satz 1 ErbStG ab dem 1.1.2022 als Finanzmitteleinlage aus erbschaft- und schenkungsteuerlicher Sicht soll am folgenden Fallbeispiel illustriert werden:
Beispiel 2
A überträgt schenkweise seinen Kommanditanteil an der OT GmbH & Co. KG (Organträger) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge m.W. zum 1.2.2023. Im Wirtschaftsjahr 2021 haben sich Minderabführungen i.H.v. 4 Mio. EUR aus dem Ansatz einer Drohverlustrückstellung (= 3 Mio. EUR) und einer Pensionsrückstellung mit abweichender steuerbilanzieller Rückstellungsbewertung gem. § 6a EStG (= 1 Mio. EUR) am Bilanzstichtag 31.12.2021 ergeben, die aus Vereinfachungsgründen am 31.12.2022 unverändert betragsmäßig bestehen. Der aktive organschaftliche Ausgleichsposten wurde zutreffend am Bilanzstichtag 31.12.2022 beim Organträger gem. § 34 Abs. 6e Satz 7–8 KStG aufgelöst.
Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 KStG i.d.F. des KöMoG ab 1.1.2022 sind Minderabführungen als Einlagen des Organträgers an die Organgesellschaft zu behandeln. Für Minderabführungen vor dem 1.1.2022 sind beim Organträger bilanzierte aktive organschaftliche Ausgleichsposten gem. § 34 Abs. 6e Satz 7 bis 8 KStG bei kalenderjahrgleichen Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft zum 31.12.2022 zugunsten des Buchwerts des Organträgers bei der Organgesellschaft einer Einlage entspr. aufzulösen.
Aus erbschaft- und schenkungsteuerlicher Sicht ist nunmehr fraglich, ob Minderabführungen ab dem 1.1.2022 und die Auflösung aktiver organschaftlicher Ausgleichsposten für Minderabführungen vor dem 1.1.2022 eine Finanzmitteleinlage des Organträgers an die Organgesellschaft mit der Konsequenz junger Finanzmittel auf Organgesellschaftsebene auslösen können. Eine solche Einlagebewegung könnte dem Finanzmittelvermögen der Organgesellschaft anteilig nach dem Verhältnis der am Bilanzstichtag vorhandenen Bruttofinanzmittel zum gesamten Aktivvermögen zugeordnet werden (im Beispielsfall 2: 2 Mio. EUR/8 Mio. EUR x 4 Mio. EUR = 1 Mio. EUR).
Minderabführungen gem. § 14 Abs. 4 Satz 1 KStG sind m.E. nicht geeignet junge Finanzmittel wegen einer (anteiligen) Finanzmitteleinlage des Organträgers hervorzurufen: Angesichts der mitunter vertretenen Auffassung zur Qualität von Minderabführungen als fiktive Einlagen aus körperschaftsteuerlicher Sicht (Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, Stand: 5/2023, § 14 KStG Rz. 913b), sind fiktionale Einlagen ohne reale Vermögenserhöhung keine Einlagen i.S.v. § 13 Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 ErbStG (Korezkij in BeckOK/ErbStG, Stand: 1.1.2023, § 13b Rz. 288.3: "Rein ertragsteuerliche Einlagenfiktionen sollten dagegen irrelevant sein"). Davon unabhängig ist die Einlagebehandlung von Minderabführungen außerdem als gegenläufige Bewegung zur Einkommenszurechnung gem. § 14 Abs. 5 KStG zu betrachten, indem das "Zuviel" an Steuerbilanzgewinnzurechnung an den Organträger wie eine Entnahme als abgeführt gilt und dieser Betrag anschließend als Wiedereinlage vom Organträger an die Organgesellschaft zugeführt wird (Neumann, Ubg 2010, 673 [673]). Der Mehrbetrag an Steuerbilanzgewinnabführung als "Entnahme" des Organträgers aus der Organgesellschaft wird durch die Wiedereinlage schlicht kompensiert. Hierdurch entsteht somit kein positiver Einlagesaldo.