Eine von der Systematik der "fictio legis gewerblicher Grundstückshandel" nicht erfasste Argumentationsschiene, die von Seiten der Finanzverwaltung manchmal ins Spiel gebracht wird, ist die selbst vorgenommene oder bspw. i.R. einer Betriebsprüfung zumindest fortgeführte Duldung der Aktivierung eines Grundstücks. Diese Argumentation zielt auf die in einer Bilanz erfolgte Aktivierung eines Grundstücks ab, die auch erst durch das FA i.R.d. Veranlagung oder einer durchgeführten BP erfolgen kann. Dem Stpfl. wird dann vorgehalten, dass das Grundstück in einer Bilanz aktiviert wurde und diese Bilanzierung über Jahre hinweg in jeder – vom Unternehmer eigenhändig und wissentlich unterschriebenen – Schlussbilanz bestätigt wurde.
Dem Stpfl. wird insoweit auch zu seinen Ungunsten entgegengehalten, dass er das Grundstück durch eine dokumentierbare Entnahmehandlung jederzeit aus dem gewerblichen Grundstückshandel hätte entnehmen können, indem er den Nachweis hätte erbringen können, es nunmehr endgültig oder dauerhaft nur noch vermieten zu wollen.
Beraterhinweis In dem diesem Aufsatz zugrunde liegenden Beispielsfall (Anschaffung Grundstück mit Hallen zum 1.9.2009, Vermietung bis 5/2022 aktuell fortdauernd) könnte eine Deal mit dem FA zum 31.12.2017 eine Entnahme anzunehmen, zu folgenden – von einem Steuerberater aus haftungsrechtlicher Sicht dringlichst zu vermeidenden – Konsequenzen führen, wenn bspw. zum 1.8.2026 eine Veräußerung doch stattfinden sollte.
Beispiel
Werte des Grundstücks (vereinfacht ohne AfA und etwaige Nebenkosten und ohne USt):
1.9.2009 |
31.12.2017 |
1.8.2026 |
Kaufpreis |
Entnahmewert |
Verkaufspreis |
600.000 EUR |
950.000 EUR |
1.400.000 EUR |
Wird der Entnahme zum 31.12.2017 "aus Sicherheitsgründen zur einvernehmlichen Lösung mit dem FA"zugestimmt, um zumindest künftige Wertsteigerungen nicht mehr zu erfassen, ergeben sich folgende Konsequenzen:
Zum 31.12.2017 wird grundsätzlich ein laufender Entnahmegewinn von 950.000 EUR ./. 600.000 EUR = 350.000 EUR erzielt. Sollte es sich um das letzte Grundstück des gewerblichen Grundstückhandels handeln, wäre auch eine tarifbegünstigte Betriebsaufgabeveräußerung mit Freibetrag gem. § 16 Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 34 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG gegeben. Als Entnahmewert gilt nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG der Teilwert oder § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG (beim letzten Grundstück!) der gemeine Wert zum Zeitpunkt der Entnahme.
Um den Teilwert/gemeinen Wert zum 31.12.2017 nachzuweisen, können zusätzlich die Kosten für einen (vom FA anerkannten!) Gutachter oder Sachverständigen für die Grundstückswertermittlung anfallen. Das FA ist jedoch nicht an die Werte des Gutachters gebunden, sondern kann seinerseits einen auf die Grundstückswertermittlung spezialisierten Beamten (in Bayern: Fachstelle für Grundstückswertermittlung) einschalten. Dies kann beim Stpfl. zusätzliche finanzielle und emotionale Nachteile hervorrufen. Zu den Anforderungen kann grundsätzlich auf § 198 BewG verwiesen werden, vgl. dazu R B 198 Abs. 3 ErbStR 2019.
Die Überführung des Grundstücks in das Privatvermögen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe zum 31.12.2017 gilt jedoch nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG als Anschaffung im Privatvermögen und führt zum Neubeginn der zehnjährigen Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. In 2026 würde damit der Verkauf erneut der Besteuerung i.R.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unterliegen und folglich ein zu versteuernder Gewinn nach § 23 Abs. 3 Satz 1 und 3 EStG von 1.400.000 EUR ./. 950.000 EUR und somit 450.000 EUR entstehen. An die Stelle der vom Veräußerungserlös abzuziehenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten tritt sodann der nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 oder § 16 Abs. 3 EStG angesetzte (Entnahme)-Wert.
Hier wird ersichtlich, dass die fingierte Entnahme zum 31.12.2017 extrem nachteilhafte Konsequenzen für den Stpfl. ergeben hat. Es wäre insoweit erforderlich und auch rechtlich zutreffend gewesen, nicht eine Entnahme zuzulassen, sondern die Überführung ins Privatvermögen auf den Zeitpunkt der Anschaffung zurückzubeziehen. Im Beispielsfall wäre ab dem 2.9.2019 eine außerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist liegende Veräußerung völlig steuerfrei gewesen. Durch die Entnahme zum 31.12.2017 ist die Spekulationsfrist auf den Ablauf des 31.12.2027 ausgedehnt und insoweit eine Veräußerung auch noch bis zu 18 Jahren und 4 Monaten nach dem Erwerb voll steuerpflichtig, teilweise im Betriebsvermögen und teilweise im Privatvermögen. Diese Rechtsfolge kann vom Konstrukt des gewerblichen Grundstückhandels nicht erfasst werden.
Beraterhinweis Folglich ist zwingend von dem "Kompromiss" (ggf. i.R. einer Betriebsprüfung), das Grundstück wenigstens schon nach ein paar Jahren aus dem Betriebsvermögen zu bekommen, um zukünftige Wertsteigerungen nicht mehr zu erfassen, abzuraten. Hier könnten sich für den Steuerberater schlimmstenfalls Haftungsrisiken ergeben, wenn er dem Mandanten nicht auf die Folgen hinweist; sollte der Mandant dennoch eine Entnahme wünschen, um sofort seine Ruhe zu ha...