Wird eine Steuererklärung trotz bestehender gesetzlicher Abgabeverpflichtung nicht eingereicht, so können die Rechtsfolgen vielfältig sein.
Erinnerung: In der Praxis wird das FA die Abgabe zunächst regelmäßig anmahnen und an die Abgabe erinnern. Dies geschieht häufig durch interne, IT-gestützte Vergleiche zwischen dem Soll- und Ist-Bestand der Steuererklärungen sowie maschineller Erinnerungsläufe, bei denen die Steuerpflichtigen bzw. bei vorliegender Vollmacht deren steuerliche Berater eine Erinnerung erhalten.
Aufforderung: Wird im FA auch danach kein Erklärungseingang verzeichnet, so wird häufig noch einmal seitens des zuständigen Sachbearbeiters manuell erinnert und damit zugleich noch einmal förmlich zur Erklärungsabgabe aufgefordert, wobei die erneute Aufforderung deklaratorischen Charakter hat, weil der Steuerpflichtige bereits qua Gesetz der Abgabe säumig ist.
Zwangsgeldandrohung: Nicht selten wird die erneute Aufforderung durch den Sachbearbeiter auch mit einer Zwangsgeldandrohung (§ 332 AO) verbunden, denn die Steuererklärungspflicht kann grds. per Zwangsmittel nach den Vorschriften der §§ 328 ff. AO durchgesetzt werden (vgl. zur Verbindung von der Aufforderung zur Erklärungsabgabe mit einer Zwangsgeldandrohung etwa BFH v. 22.5.2001 – VII R 79/00; BFH v. 6.11.2003 – VII B 145/03, AO-StB 2004, 43).
Wird keine Steuererklärung eingereicht, so setzt das FA das angedrohte Zwangsgeld regelmäßig nach Verstreichen der gesetzten Handlungsfrist fest (§ 333 AO) und betreibt dieses. Einem rechtmäßig festgesetzten Zwangsgeld entledigen kann sich der Steuerpflichtige nur noch, indem die ausstehenden Steuererklärungen unverzüglich übermittelt werden, da der Vollzug dann sofort einzustellen ist und das Zwangsgeld nicht mehr beigetrieben werden darf (§ 335 AO; vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 335 AO Rz. 2 [03/2024] unter Verweis auf den Beugemittelcharakter eines Zwangsgeldes).
Schätzungsbefugnis: Unabhängig davon, ob zuvor die Erklärungsabgabe angemahnt oder ein Zwangsmittelverfahren i.S.d. § 328 ff. AO durchgeführt worden ist, ist das FA zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bei Nichtabgabe befugt (§ 162 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 AO). Denn eine vorherige Mahnung, die erneute förmliche Aufforderung oder das zwangsweise Durchsetzen der Erklärungspflicht werden gesetzlich nicht vorausgesetzt, damit das FA schätzen darf (so auch Rosenke in BeckOK/AO, § 149 AO Rz. 321 [204/2024]; BFH v. 26.5.2011 – VIII B 180/10; a.A. und mindestens eine Anmahnung der ausstehenden Erklärungen voraussetzend Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 149 AO Rz. 17 [03/2024]).
Zu beachten ist, dass das FA sich regelmäßig hinsichtlich den steuermindernden Tatsachen am unteren Ende und hinsichtlich den steuererhöhenden Tatsachen am oberen Ende des Schätzungsrahmens orientieren wird, wenn die Mitwirkungspflichten durch Nichtabgabe der Steuererklärung in grober Weise verletzt werden und der Steuerpflichtige dadurch selbst erst den Schätzungsgrund schafft (vgl. zur Zulässigkeit bei der Schätzung insgesamt an das obere Ende des Schätzungsrahmens zu gehen grundlegend BFH v. 1.10.1992 – IV R 34/90 m.w.N.).
Beraterhinweis Werden die Besteuerungsgrundlagen vom FA geschätzt und wird entgegen der Verwaltungsauffassung im AEAO zu § 162 Rz. 4, wonach ein Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 S. 1 AO) insb. bei erwarteter Nachreichung der Erklärung aufzunehmen ist, kein Vorbehalt der Nachprüfung aufgenommen, so sind die Schätzungsbescheide zwingend anzufechten. Andernfalls droht der Eintritt der formellen Bestandskraft, ohne dass in materieller Hinsicht (insb. wegen der Sperrwirkung groben Verschuldens bei § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO), noch Korrekturvorschriften greifen.
Trotz Schätzung besteht die Abgabeverpflichtung im Übrigen fort (§ 149 Abs. 1 S. 4 AO), so dass das FA selbst nach Erlass von Schätzungsbescheiden weiterhin dazu befugt ist, auf die Abgabe hinzuwirken.