Wer denkt, durch Abgabe einer Schenkungsteuererklärung der Arbeitslohnproblematik zu entgehen, wiegt sich zu Unrecht in Sicherheit. Dies gilt selbst dann, wenn schon ein Schenkungsteuerbescheid ergangen ist, der sogar bestandskräftig geworden ist. Denn zwischen Einkommensteuer-Bescheid und Schenkungsteuer-Bescheid besteht weder in die eine noch in die andere Richtung, ein Grundlagen-/Folgebescheidverhältnis. Zudem existiert keine Vorschrift, die die Versteuerung eines geldwerten Vorteils als Arbeitslohn ausschließt, nur weil bereits ein bestandskräftiger Schenkungsteuerbescheid existiert.

§ 174 AO kann aber die Rechtssicherheit bestehender Steuerbescheide zugunsten der materiell richtigen Steuerfestsetzung durchbrechen.

§ 174 Abs. 1 Satz 1 AO gestattet es, einen Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Sachverhalt zu Ungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger fehlerhaft mehrfach berücksichtigt wurde. Letzteres ist der Fall, wenn sich die in mehreren Steuerbescheiden auf Grundlage derselben Sachkonstellation gezogenen Schlüsse ihrem materiellen Gehalt nach unvereinbar gegenüberstehen.

Beraterhinweis Wird daher ein Vorteil gleichzeitig als einkommensteuerrelevante Einnahme und als Schenkung bewertet und ergehen zwei den Steuerpflichtigen belastende Steuerbescheide (Einkommensteuer- und Schenkungsteuerbescheid), liegt m.E. regelmäßig ein solcher (materieller) Widerstreit i.S.d. § 174 Abs. 1 Satz 1 AO vor (vgl. hierzu auch Loose in Tipke/Kruse, AO, § 174 Rz. 14). Denn es kommt zwangsläufig zu einer Steuerobjektkollision, die es aufzulösen gilt, es sei denn, die Doppelbesteuerung soll als materiell rechtmäßig qualifiziert werden.

Diese Rechtsfolge erscheint auch auf der Grundlage der vorgenannten Rspr. des BFH folgerichtig: Wenn derselbe Sachverhalt nicht zugleich entgeltlich (einkommensteuerbar) und unentgeltlich (schenkungsteuerbar) sein kann, muss bei einer Doppelbesteuerung zwangsläufig eine der Festsetzungen rechtswidrig sein.

Beraterhinweis Es ist zu empfehlen, entsprechende Einkommen- und Erbschaft-/Schenkungsteuerbescheide durch Einsprüche gegen beide Bescheide offenzuhalten.

Auf § 176 AO lässt sich i.Ü. keine Aufhebung eines fehlerhaften Bescheides stützen. Denn die Regelung greift ausschließlich bei nachträglichen Korrekturen, die gerade nicht gegeben sind.

Ebenso scheidet Vertrauensschutz nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aus. Zwar existiert nach ständiger Rspr. des BFH Vertrauensschutz, wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Das gilt aber nur für das konkrete Steuerrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten, also dem jeweiligen Steuerpflichtigen und dem Sachbearbeiter der Finanzbehörde. Bei der Einkommensteuer und der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind aber regelmäßig unterschiedliche Finanzbehörden beteiligt, nämlich einerseits das Wohnsitz-FA des Einkommensteuerbelasteten (§§ 19, 20 AO), andererseits das Wohnsitz-FA des Schenkers bzw. Erblassers (§ 35 ErbStG). Ein Vertrauenstatbestand wird so nicht geschaffen.

 

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