Der dem Grunde nach die Beweispflicht ausschließende bzw. einschränkende Untersuchungsgrundsatz wird durch die verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten der Beteiligten begrenzt (BFH v. 10.3.2016 – X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042; Urban, NWB 2017, 1657).
Steuererklärungspflicht: Die wichtigste Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen ist die Steuererklärungspflicht gem. §§ 149 ff. AO i.V.m. § 25 Abs. 3 S. 1 EStG. Er hat für den abgelaufenen Veranlagungszeitraum eine Einkommensteuererklärung abzugeben.
Beraterhinweis Diese Verpflichtung bleibt selbst im Falle einer Schätzung bestehen!
Weitere Mitwirkungspflichten sind:
- die allgemeine Mitwirkungspflicht der Beteiligten gem. § 90 Abs. 1 AO, wonach der Steuerpflichtige die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig offenlegen und die bekannten Beweismittel angeben muss;
- die erhöhte Mitwirkungspflicht der Beteiligten bei Auslandssachverhalten gem. § 90 Abs. 2 AO, und bei Sachverhalten, die ausschließlich in der Sphäre des Beteiligten liegen.
Auch wenn die Mitwirkungspflichten der Beteiligten die Amtsermittlungspflicht der Finanzbehörde begrenzen, gibt es keine rechtliche Mitverantwortung des Beteiligten. Die Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes und die zu treffende Entscheidung bleibt bei der zuständigen Finanzbehörde. Beachten Sie: Die Mitwirkungspflicht ist jedoch umso größer, je mehr Tatsachen oder Beweismittel der von einem Beteiligten beherrschten Informations- und Tätigkeitssphäre angehören (BFH v. 12.12.2000 – VIII R 36/99, BFH/NV 2001, 789; Urban, NWB 2017, 1657).
Einschränkung der Amtsermittlungspflicht: Ferner ist die Amtsermittlungspflicht umso stärker eingeschränkt, je weniger ein Beteiligter seiner Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung nachkommt (BFH v. 6.5.2005 – XI B 239/03, BFH/NV 2005, 1605). Demzufolge gilt bei Defiziten in der Sachaufklärung, die auf einer unzureichenden Mitwirkung der Steuerpflichtigen beruhen, dass
- hinsichtlich steuerbegründender und steuererhöhender Tatsachen – für die grundsätzlich das Finanzamt die objektive Beweislast trägt – sich das Beweismaß entsprechend der Pflichtverletzung auf eine größtmögliche Wahrscheinlichkeit reduziert (hieraus folgt die Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 2 AO);
- hinsichtlich steuerentlastender und steuermindernder Tatsachen – für die grundsätzlich der Steuerpflichtige die objektive Beweislast trägt – es beim Regelbeweismaß bleibt; die unterlassene Beweisvorsorge soll sich nicht zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken (Loschelder, AO-StB 2003, 25).
Das Beweismaß kann sich jedoch auch zu Lasten des Finanzamtes verschieben. Beruht die Unaufklärbarkeit eines steuerentlastenden oder steuermindernden Umstands im Einzelfall auf der Missachtung oder Vernachlässigung behördlicher Ermittlungspflichten, muss das Finanzgericht ggf. zugunsten des Steuerpflichtigen nach § 162 Abs. 1 AO schätzen (Loschelder, AO-StB 2003, 25).