In den Fällen der gesetzlichen Vermutung, des Anscheinsbeweises und des Indizienbeweises ist das Beweismaß reduziert.

Bei der gesetzlichen Vermutung geht der Gesetzgeber von einer bestimmten Vermutung über einen Geschehensablauf aus. Die Vermutung kann widerlegbar oder aber auch unwiderlegbar sein.Der Beteiligte, zu dessen Gunsten die gesetzliche Vermutung begründet wird, trägt lediglich die Beweislast für die Vermutungsbasis. Dem anderen Beteiligten obliegt – soweit es sich um eine widerlegbare Vermutung handelt – der Beweis des Gegenteils (Loschelder, AO-StB 2003, 25). Hierzu muss die Vermutungsbasis erschüttert oder die vermutete Tatsache durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden.

Von ihrer Wirkung her ähnelt die gesetzliche Vermutung der Beweislastumkehr (hierzu gleich mehr).

 

Beispiel 1:

Zugangsvermutung

Für schriftliche Verwaltungsakte, die per Post im Inland versendet werden, begründet § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO die gesetzliche Vermutung, dass sie dem Steuerpflichtigen am dritten Tag nach Aufgabe zur Post zugehen. Beachten Sie: Diese Vermutung kann der Steuerpflichtige durch Bestreiten des (rechtzeitigen) Zugangs erschüttern. Gelingt dies dem Steuerpflichtigen, trifft die objektive Beweislast für den Zugang und den Zugangszeitpunkt wiederum die Finanzbehörde (BFH v. 21.12.2001 – VIII B 132/00, BFH/NV 2002, 661; Loschelder, AO-StB 2003, 25).

 

Beispiel 2:

Beweiskraft der Buchführung

Die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung eines Steuerpflichtigen begründet nach § 158 AO die gesetzliche Vermutung für ihre sachliche Richtigkeit. Will die Finanzbehörde diese Vermutung erschüttern, muss sie beweisen, dass die Buchführung – obgleich formell ordnungsgemäß – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit inhaltlich unrichtig ist; dies kann etwa durch einen inneren Betriebsvergleich oder durch eine Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung geschehen.Gelingt es der Finanzbehörde, beispielsweise durch eine Verprobung der Buchführung einen ungeklärten Vermögenszuwachs aufzudecken, trägt wiederum der Steuerpflichtige die objektive Beweislast für die Herkunft des Vermögens. Bleibt die Herkunft trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismittel ungeklärt, kann davon ausgegangen werden, dass er mehr steuerpflichtige Einnahmen hatte, als er erklärt hat (BFH v. 2.7.1999 – V B 83/99, BFH/NV 1999, 1450; Loschelder, AO-StB 2003, 25).

 

Beispiel 3:

Haushaltsgemeinschaft

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende steht den in § 24b Abs. 3 S. 1 EStG definierten alleinstehenden Personen zu, die u.a. keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden dürfen. Nach Satz 2 wird in den Fällen, in denen eine andere Person in der Wohnung des Steuerpflichtigen gemeldet ist, vermutet, dass sie gemeinsam wirtschaften. Diese Vermutung ist nach Satz 3 widerlegbar, es sei denn, der Steuerpflichtige und die andere Person leben in einer eheähnlichen Gemeinschaft.

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