Der gewohnheitsrechtlich anerkannte Anscheinsbeweis (auch Beweis des ersten Anscheins genannt) ist eine besondere Form der mittelbaren Beweisführung durch die Anwendung von Erfahrungsgrundsätzen.

Zahlreiche Lebensvorgänge laufen nach der allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise auf eine bestimmte Weise ab. Deutet der Sachverhalt nach dieser Lebenserfahrung auf einen solchen typischen Geschehensablauf hin, wird unterstellt, dass dieser auch so abgelaufen ist.

Beachten Sie: Der Anscheinsbeweis kann entkräftet werden, wenn ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt.

 

Beispiel 1:

Wird der Abbruch eines Gebäudes innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb begonnen, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Erwerber das Gebäude in der Absicht erworben hat, es abzureißen (BFH v. 12.6.1978 – GrS 1/77, BStBl. II 1978, 620; v. 13.11.1979 – VIII R 93/73, BStBl. II 1980, 69).

 

Beispiel 2:

Die Besichtigung mehrerer Objekte und der anschließende Erwerb eines von davon zum Zwecke der Vermietung begründet den Beweis des ersten Anscheins dafür, dass bereits im Besichtigungszeitpunkt die Einkunftserzielungsabsicht bestanden hat (BFH v. 10.3.1991 – VIII R 195/77, BStBl. II 1981, 470).

 

Beispiel 3:

Bei typisch gewerblichen Betrieben und freien Berufen spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass sie in der Absicht betrieben werden, Gewinn zu erzielen (BFH v. 22.4.1998 – XI R 10/97, BStBl. II 1998, 663).

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