1. Tenor der Entscheidungen
Das FG Rheinland-Pfalz ist in zwei AdV-Verfahren zu einem anderen Ergebnis als das Sächsische FG gelangt (FG Rh.-Pf. v. 23.11.2023 – 4 V 1295/23 und – 4 V 1429/23, ErbStB 2024, 5 [Günther]). Es bestünden ernstliche Zweifel daran, dass die neuen Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff. BewG zu einer aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten realitäts- und relationsgerechten Grundstücksbewertung führen. Die große Zahl gesetzlicher Typisierungen und Pauschalierungen in den §§ 243 ff. BewG und eine nahezu vollständige Vernachlässigung aller individuellen Umstände der konkret bewerteten Grundstücke führten zu gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Wertverzerrungen für den gesamten Kernbereich der Grundsteuerwertermittlung. Aus den Regelungen des GrStG sowie der §§ 218 ff. BewG sei der Belastungsgrund der Grundsteuer nach dem Grundsteuer-Reformgesetz zudem nicht eindeutig erkennbar. Darüber hinaus machte das FG Rheinland-Pfalz zahlreiche Bedenken im Bereich der Ermittlung der Bodenrichtwerte, der Zusammensetzung der Gutachterausschüsse geltend und eröffnete den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes.
2. Ermittlung der Bodenrichtwerte und Besetzung der Gutachterausschüsse
a) Überprüfbarkeit der Bodenrichtwerte auf dem Finanzrechtsweg
Der Rechtsschutz gegen Grundsteuerwertbescheide auf den 1.1.2022 wird umfassend durch die FG gewährt. Der Finanzrechtsweg ist dabei nach Auffassung des FG Rheinland-Pfalz für alle maßgeblichen Rechtsfragen, auch bzgl. der Einwände gegen die bewertungsrelevanten Bodenrichtwerte eröffnet, ohne dass es insofern einer Klage zu den VG bedürfe (a.A. Steinhauer, ErbStB 2023, 185 sowie Mandler/Schulze/Zochert, DStR 2023, 1329).
Die Antragstellerin wende sich vorliegend nicht gegen den für ihr Grundstück ermittelten Bodenrichtwert als solchen. Vielmehr begehre sie – was den Tenor ihres Aussetzungsantrags betrifft – die Aussetzung der Vollziehung des gegen sie ergangenen Grundsteuerwertbescheids, in dessen Rahmen der Bodenrichtwert lediglich als eine Bemessungsgrundlage eingegangen ist, und wende sich allein gegen die in diesem Bescheid liegende Beschwer. Der vorliegende Rechtsstreit betreffe damit bereits in formell-rechtlicher Hinsicht umfassend einen in einer Abgabenangelegenheit ergangenen Bescheid. Die vorliegende Streitigkeit über eine verbindlich festgestellte Bemessungsgrundlage der Grundsteuer unterfalle demnach umfassend, d.h. auch soweit die Antragstellerin Einwände gegen den in die Bemessungsgrundlage eingegangenen Bodenrichtwert erhebt, dem Begriff der "Abgabenangelegenheit" i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FGO.
Beraterhinweis Der BFH geht hingegen in ständiger Rspr. davon aus, dass Bodenrichtwerte, die die Gutachterausschüsse ermittelt und den FA mitgeteilt haben, für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich sind (zuletzt BFH v. 12.1.2021 – II B 61/19, ErbStB 2021, 137 [Knittel]). Denn bei der Verwendung der Bodenrichtwerte handele es sich um eine verfassungsrechtlich unbedenkliche typisierende Bewertungsmethode, die der Vereinfachung der Bedarfsbewertung dient. Die Bodenrichtwerte seien für die am Steuerrechtsverhältnis Beteiligten verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich. Sie seien deswegen von den Finanzbehörden und -gerichten ungeprüft und ohne eigenen Bewertungsspielraum der Ermittlung des Bedarfswerts zugrunde zu legen (st. Rspr., vgl. BFH v. 12.7.2006 – II R 1/04, unter II.1., BStBl. II 2006, 742 m.w.N. = ErbStB 2006, 308 [Halaczinsky]).
b) Ermittlung der Bodenrichtwerte und mangelnde Datengrundlage
Das FG Rheinland-Pfalz hat ernstliche Zweifel am rechtmäßigen Zustandekommen des verfahrensgegenständlichen Bodenrichtwerts, die sich insb. darauf stützen, dass in erheblichem Umfang Datenlücken bei der Führung und Auswertung der Kaufpreissammlung zu befürchten seien, aus der die Bodenrichtwerte abgeleitet werden. Das beklagte FA habe die Grundsteuerwertfeststellung auf den Bodenrichtwert gestützt, ohne sich in irgendeiner Weise mit dessen Zustandekommen auseinanderzusetzen. Es habe insb. nicht ermittelt, ob der für das Grundstück der Antragstellerin festgestellte Bodenrichtwert rechtmäßig zustande kam. Hierfür hätte aufgrund der bereits im Einspruchsverfahren erhobenen Rügen bzgl. der entsprechenden Schätzung Anlass bestanden. Die konkrete Möglichkeit einer unvollständigen Datenerhebung und/oder -erfassung im vom Gericht dargestellten Umfang stelle die Aussagekraft des gesamten, zur Richtwertermittlung herangezogenen Zahlenwerks und damit die Bodenrichtwerte selbst grundlegend in Frage.
Beraterhinweis Nach gegenteiliger Auffassung des BFH kann der Gutachterausschuss sich seiner Verpflichtung, für jedes Gemeindegebiet einen Bodenrichtwert zu ermitteln und ergänzenden Vorgaben der Finanzverwaltung für die Ermittlung von Bodenrichtwerten nachzukommen, nicht mit dem Hinweis darauf entziehen, die Ermittlung sei nicht möglich. Der Gesetzgeber sei ersichtlich davon ausgegangen, dass eine flächendeckende Ermittlung von Bodenrichtwerten möglich sei. Dass der Gesetzgeber die Ermittlung eines Bodenrichtwerts für alle Grundstücke als möglich ansieht, werde durch die Neufassung des § 196 Abs....