1. Einführende Überlegungen

Der Tatbestand der Wegzugsbesteuerung erfordert nach Neufassung durch das ATADUmsG[3] zunächst eine unbeschränkte Steuerpflicht. Diese ergibt sich aus der Definition in § 6 Abs. 2 AStG und verlangt dem Grunde nach

  • eine unbeschränkte Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 1 EStG – d.h. einen inländischen Wohnsitz nach § 8 AO bzw. einen inländischen gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 AO
  • innerhalb der letzten 12 Jahre vor dem Wegzug
  • für mindestens sieben Jahre.
  • Daneben ist erforderlich, dass der Wegziehende einen Anteil nach § 17 EStG hält, sprich eine im Privatvermögen gehaltene mindestens 1%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft.

Schließlich muss die unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AStG) enden.

Alternativ erfasst § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG die unentgeltliche Übertragung der vorgenannten Beteiligung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person.

Subsidiär[4] ist die Wegzugsbesteuerung in solchen Fällen relevant, in denen das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus einer späteren Anteilsveräußerung ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG ).

[3] BGBl. I 2021, 2035.
[4] Müller, EStB 2022, 353.

2. Rechtsfolge

Fiktion der Veräußerung zum gemeinen Wert: Als Rechtsfolge fingiert § 6 Abs. 1 S. 1 AStG die Veräußerung der Beteiligung zum gemeinen Wert, um als ultima ratio das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zu sichern.[5]

Vermeidungsstrategien im Wegzugszeitpunkt: In einigen Fällen lassen sich Vermeidungsstrategien im Wegzugszeitpunkt definieren, die das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland auch nach Wegzug sichern sollen.[6] Beachten Sie: Soweit solche Strategien – etwa aufgrund der jeweiligen individuellen Verhältnisse oder unter Berücksichtigung der konkreten Prämissen – nicht zielführend erscheinen, so kann auf Antrag eine Stundung der Wegzugssteuer herbeigeführt werden.

Stundung auf Antrag: Seit dem ATADUmsG ist infolge der sog. One-Fits-All-Regelung[7] eine einheitliche Stundung für sieben Jahre gem. § 6 Abs. 4 S. 1 AStG denkbar – unabhängig davon, ob ein Wegzug innerhalb der Europäischen Union respektive des Europäischen Wirtschaftsraums[8] oder in Drittstaaten erfolgt.[9] Beachten Sie: Diese Stundung

Beraterhinweis Neben der Stundung des § 6 Abs. 4 AStG kann in besonderen Situationen auch eine Argumentation über eine nur vorübergehende Abwesenheit nach § 6 Abs. 3 AStG relevant werden.

[5] Schaumburg in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl. 2023, Kapitel 6 Rz. 406.
[6] S. dazu auch Müller, IWB 2021, 930; ausführlich zur alten Rechtslage: Häck in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 6 AStG Rz. 171 ff. (April 2020).
[7] S. illustrierend anhand von Beispielen: Kraft, Ubg 2021, 582.
[8] S. dazu nach bisher alter Rechtslage des § 6 AStG: EuGH v. 11.3.2004 – C-9/02, ECLI:EU:C:2004:138 – Hughes de Lasteyrie du Saillant sowie in Bezug auf die Schweiz auch EuGH v. 26.2.2019 – C-581/17, ECLI:EU:C:2019:138 – Wächtler.
[9] S. dazu auch Müller, IWB 2021, 932 f.

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