1. Einführende Überlegungen
Der Tatbestand der "vorübergehenden Abwesenheit i.S.d. § 6 Abs. 3 S. 1 AStG" erfasst tatbestandsseitig
- zunächst die Fälle der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AStG .
- Auch die Fälle der subsidiären Beschränkung bzw. des Ausschlusses des Besteuerungsrechtes der Bundesrepublik Deutschland gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AStG sind von der vorübergehenden Abwesenheit nach § 6 Abs. 3 S. 4 AStG erfasst.
Beachten Sie: Im Fall der unentgeltlichen Übertragung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AStG auf einen Steuerausländer findet der Tatbestand der vorübergehenden Abwesenheit selbst dann Anwendung, wenn die betreffende Person innerhalb von sieben Jahren seit der Übertragung unbeschränkt steuerpflichtig wird.
Aus zeitlicher Hinsicht beschränkt sich die vorübergehende Abwesenheit auf sieben Jahre (§ 6 Abs. 3 S. 1 AStG). Besteht die Absicht zur Rückkehr nach Ablauf des vorgenannten Zeitraums unverändert fort, so kann die Frist auf Antrag des Steuerpflichtigen um weitere fünf Jahre verlängert werden (§ 6 Abs. 3 S. 3 AStG).
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die Anteile während der vorübergehenden Abwesenheit an der infragestehenden Kapitalgesellschaft
- zwischenzeitlich veräußert werden,
- in ein Betriebsvermögen eingelegt werden oder
- Gewinnausschüttungen erfolgen, die mehr als ¼ des gemeinen Wertes der Anteile betragen (§ 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 AStG).
Beachten Sie: Außerdem muss bei tatsächlicher Rückkehr das Besteuerungsrecht in dem Umfang wieder begründet werden, wie es im Zeitpunkt der Beendigung der Steuerpflicht bestand (§ 6 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AStG).
Rechtsfolgenseitig entfällt der Steueranspruch aus der Wegzugsbesteuerung, so dass es sich insoweit um ein rückwirkendes Ereignis handelt. War die Steuer bereits gezahlt, ist sie entsprechend zu erstatten, wobei eine 6%ige Verzinsung nach § 234 AO relevant wird.
2. Rückkehrabsicht
Fraglich ist, ob die Rückkehrabsicht bereits im Zeitpunkt des Wegzugs bestanden haben muss. Dabei lässt sich die bestehende Rückkehrabsicht in
- eine subjektive Theorie und
- eine objektive Theorie
unterteilen.
a) Finanzverwaltung = "subjektive Theorie"
Nach Ansicht der Finanzverwaltung gilt die subjektive Theorie, wonach
- bereits im Zeitpunkt des Wegzugs
- eine Rückkehrabsicht bestanden haben muss,
was nach den Gesamtumständen des Einzelfalls zu beurteilen sein wird. Dieser Auffassung hatte sich in 2019 auch das FG Münster angeschlossen. Die subjektive Theorie wird in dem zugrunde liegenden Urteil mit dem ersten Satzteil des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG a.F. begründet, den es andernfalls nicht gebraucht hätte. Außerdem wäre ansonsten die "fortbestehende" Rückkehrabsicht in § 6 Abs. 3 S. 2 AStG a.F. prima facie obsolet.
b) "(Eingeschränkt) objektive Theorie"
Auf der anderen Seite steht die objektive Theorie, die keine Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs verlangt. Die darauf aufbauende eingeschränkt objektive Theorie verfolgt den Gedanken, dass eine tatsächlich fristgerechte Rückkehr für die Tatbestandsverwirklichung des § 6 Abs. 3 S. 1 AStG – und damit die Inanspruchnahme der Rückkehrregelung – ausreicht. Die fortbestehende Rückkehrabsicht wird in der eingeschränkt objektiven Theorie ausschließlich im Kontext der Verlängerung des Rückkehrzeitraumes für erforderlich gehalten – damit treten im Umkehrschluss subjektive Elemente und damit die bestehende Rückkehrabsicht erst bei Verlängerung der Rückkehrfrist nach sieben Jahren in den Vordergrund.
Durch das ATADUmsG ist insoweit eine Liberalisierung des Rückkehrtatbestandes eingetreten, als dass es auf eine Glaubhaftmachung der Rückkehr nicht mehr ankommen soll. Beachten Sie: Dennoch müsse nach Auffassung des Gesetzgebers
- eine hinreichend wahrscheinliche Rückkehrabsicht
- im Zeitpunkt des Wegzuges bestehen.
In dem ursprünglichen Gesetzentwurf des ATADUmsG war in § 6 Abs. 3 S. 6 AStG vorgesehen, dass zur Vermeidung von Härten die Wegzugsbesteuerung entfällt, wenn zwar keine Rückkehrabsicht bestand, jedoch eine tatsächliche Rückkehr innerhalb von drei Jahren erfolgt. Die unter dem Stichwort "verunglückter Wegzug" aufgenommene gesetzliche Regelung hat jedoch letztlich keinen Eingang in das Gesetz gefunden.
Beraterhinweis Damit besteht (weiterhin) keine Regelung, die die eingeschränkt objektive Theorie gesetzlich fixiert.