Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert, Dipl.-Finw. (FH) Michael Seifert
Leitsatz
In Abfindungsvereinbarungen wird oftmals bestimmt, dass bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen eine Abfindung zum Teil oder ganz an den ursprünglichen Arbeitgeber zurückzuzahlen ist. Als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ist die Abfindungszahlung - verringert um den Abfindungsfreibetrag gem. § 3 Abs. 9 EStG - im Jahr der Zahlung steuerpflichtig. Hierauf kann eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 EStG in Betracht kommen. Wird der steuerpflichtige Teil der Abfindungszahlung in einem späteren Jahr zurückgezahlt, stellt die Rückzahlung im Jahr des Abflusses eine negative Einnahme dar. Es tritt keine Auswirkung auf die ursprünglich ermäßigte Besteuerung der steuerpflichtigen Abfindungszahlung ein.
Sachverhalt
In 1997 erhielt eine Steuerpflichtige eine Abfindungszahlung in Höhe von 97.220 DM. Der unter Berücksichtigung des Abfindungsfreibetrages nach § 3 Nr. 9 EStG steuerpflichtige Teil der Abfindungszahlung wurde ermäßigt nach Maßgabe von § 34 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 EStG im Jahr 1997 der Besteuerung unterworfen. In 1998 hatte die Steuerpflichtige 50.472 DM der Abfindungszahlung entsprechend dem Sozialplan zurückzuzahlen, weil sie innerhalb des Konzerns, in dem sie früher tätig war, wiederum eine Beschäftigung aufgenommen hatte. Dies sollte nach Auffassung der Steuerpflichtigen im Jahr der Rückzahlung (1998) eine negative Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit darstellen. Demgegenüber nahm die Finanzverwaltung ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO an, wodurch die zurückgezahlte Abfindung sich im Jahr der ursprünglichen Zahlung auswirken sollte.
Entscheidung
Das FG hat entschieden, dass die Rückzahlung einer Abfindungszahlung im Jahr der Rückzahlung zu erfassen sei. Ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO läge nicht vor. Dass die Abfindungszahlung im Jahr des Zuflusses mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert wurde, führt nach Auffassung des FG nicht dazu, dass die Rückzahlung der Abfindungszahlung als rückwirkendes Ereignis zu werten ist. Auch wurde der gesamte Rückzahlungsbetrag als negative Einnahme erfasst, weil der zurückgezahlte Betrag niedriger als der ursprünglich steuerpflichtige Teil der Abfindungszahlung war.
Hinweis
Bei der Ermittlung der Einkünfte aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten orientiert sich das FG grundsätzlich an den Grundsätzen des § 11 EStG. Zufluss und Abfluss von Einnahmen können als tatsächliche Vorgänge nicht ungeschehen gemacht werden und schließen daher § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aus. Nur dann, wenn es sich um ein einmaliges, punktuelles Ereignis handelt und nur der tatsächlich erzielte (Veräußerungs-) Gewinn besteuert werden soll, soll § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zur Anwendung kommen. Hierunter sind z. B. Sachverhalte zu fassen, die unter die Anwendung von § 16 EStG fallen. Ein solches einmaliges, punktuelles Ereignis soll in Bezug auf eine steuerpflichtige Abfindungszahlung nicht vorliegen. Insoweit bindet sich das FG unmittelbar an das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG. Dies kann für die Praxis zu Vor- oder Nachteilen führen. Einerseits kommt auf die steuerpflichtige Abfindungszahlung oftmals die ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG zur Anwendung. Die Rückzahlung in einem Folgejahr wirkt sich hierauf nicht aus; allerdings tritt eine steuerliche Auswirkung nur insoweit ein, wie im Jahr der Rückzahlung anderweitige Einkünfte erzielt werden. Eventuell erfolgt eine Berücksichtigung im Wege eines Verlustrück- oder vortrags. Ob statt dessen eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 Abs. 1 Satz 2 AO in Betracht kommt, wonach die Abfindungsrückzahlung schon zu einem früheren Zeitpunkt berücksichtigt wird, lässt sich nicht allgemein bestimmen. Unter Abwägung der Vorteilhaftigkeit sollte zumindest ein solcher Antrag erwogen werden. Gegen das Urteil des FG Baden-Württemberg, Außensenat Stuttgart, wurde Revision eingelegt (Az. des BFH: VI R 33/03). Rechtstreitigkeiten sollten eventuell offen gehalten werden.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2003, 9 K 380/99