Die Ermittlung der erforderlichen Daten durch die Gutachterausschüsse reicht für die Verwendung i.R.d. typisierten Grundbesitzbewertung als alleiniges Kriterium nicht aus. Die Daten müssen vielmehr auch geeignet sein, vgl. §§ 187 Abs. 2 Satz 2, 188 Abs. 2 Satz 2 und 191 Abs. 2 BewG. Die Eignung der erforderlichen Daten richtet sich insb. nach der Modellkonformität.
a) Grundsatz der Modellkonformität
Der Grundsatz der Modellkonformität ist ein wichtiger – wenn nicht gar der wichtigste (Sprengnetter in Sprengnetter, Immobilienbewertung, Stand: 36. EL, S. 2/2/1/1) – und unbestrittener (BR-Drucks. 407/21, 96) Grundsatz der marktkonformen Verkehrswertermittlung. Bei der Bewertung sind dieselben Modelle und Modellansätze zu verwenden, die bei der Ermittlung der erforderlichen Daten zugrunde gelegt wurden (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV). Eine Missachtung dieses Grundsatzes führt zu unsachgemäßen Verfahrensergebnissen (s. auch Kleiber in Kleiber-digital, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, Stand: 1/2022, Teil IV. 2. Abschn. 1.3., § 10 Rz. 1).
Obwohl der Grundsatz der Modellkonformität erstmals i.R.d. Novellierung der ImmoWertV gesetzlich definiert und verbindlich festgeschrieben wurde, gilt er seit jeher (Kleiber in Kleiber-digital, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, Stand: 1/2022, Teil IV. 2. Abschn. 1.3., § 10 Rz. 1), vgl. z.B. Nr. 2 Abs. 4 Satz 1 Vergleichswertrichtlinie (VW-RL), Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 Sachwertrichtlinie (SW-RL) und Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 Ertragswertrichtlinie (EW-RL).
b) Ist die Modellkonformität im BewG verankert?
Wie eingangs dargestellt, wurde die Grundbesitzbewertung in enger Anlehnung an die anerkannten Vorschriften der Verkehrswertermittlung konzipiert. Die §§ 183 ff. BewG wurden im Wesentlichen entspr. der WertV v. 6.12.1988 (BGBl. I 1988, 2209) verfasst. Die WertV war die Vorgängerverordnung der ImmoWertV. Da die WertV den Begriff der Modellkonformität noch nicht verwendet hat, ist er aktuell auch nicht im BewG zu finden. Gleichwohl hat der unbestrittene Grundsatz der Modellkonformität durch das Heranziehen der von den Gutachterausschüssen ermittelten erforderlichen Daten Eingang in die steuerliche Bewertung gefunden.
Der Gesetzgeber hat mit dem Steueränderungsgesetz 2015 v. 5.11.2015 (BGBl. I 2015, 1834) das Sachwertverfahren nach den §§ 189 ff. BewG an die Modellparameter der SW-RL v. 5.9.2012 (BAnZ AT 18.10.2012 B1) angepasst. So soll sichergestellt werden, "dass die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte auf der Grundlage der SW-RL abgeleiteten Sachwertfaktoren unter Berücksichtigung der Modellkonformität weiterhin [Hervorh. d. Verf] als Wertzahl i.S.d. § 191 Absatz 1 BewG angewendet werden können" (BT-Drucks. 18/4902, 55).
Daraus wird deutlich, dass, nach Auffassung des Gesetzgebers, erforderliche Daten, die nach gänzlich anderen Modellen, als denen des BewG ermittelt werden, für die Grundbesitzbewertung ungeeignet sind. Der Grundsatz der Modellkonformität ist nach Auffassung des Gesetzgebers im 6. Abschnitt des BewG verankert und bestimmt sein gesetzgeberisches Handeln.
c) Meinungsstand: Finanzverwaltung vs. BFH
Gemäß dem Grundsatz der Modellkonformität wendet die Finanzverwaltung bspw. Liegenschaftszinssätze und Sachwertfaktoren der Gutachterausschüsse nur an, soweit deren Ermittlung weitgehend nach demselben Modell erfolgt ist, wie die Bewertung nach dem BewG (zu den Liegenschaftszinssätzen: R B 188 Abs. 3 Satz 1 ErbStR 2019; zu den Sachwertfaktoren: R B 191 Abs. 2 ErbStR 2019).
Der BFH misst dem Grundsatz der Modellkonformität bisher keinerlei Bedeutung bei. In seiner bislang einzigen Entscheidung zur Eignung von Liegenschaftszinssätzen geht er in der Urteilsbegründung nicht auf die Modellkonformität ein, obwohl die Nichtanwendung eines Liegenschaftszinssatzes des Gutachterausschusses durch die Finanzverwaltung aufgrund nicht hinreichender Modellkonformität ursächlich für die Klage war. Im verhandelten Fall begehrte der Steuerpflichtige den Ansatz des Liegenschaftszinssatzes des Gutachterausschusses. Nach Auffassung des BFH kommt es allein darauf an, ob der Gutachterausschuss sich bei der Ermittlung der erforderlichen Daten an die Vorgaben des BauGB sowie der darauf beruhenden Verordnungen gehalten hat (BFH v. 18.9.2019 – II R 13/16, BStBl. II 2020, 760 LS und Rz. 12 = ErbStB 2020, 65 [Grootens]). Das Bestreben des Gesetzgebers nach Modellkonformität blieb in der Urteilsbegründung unerwähnt.
Nach diesem Grundsatz wären die von den Gutachterausschüssen veröffentlichten Liegenschaftszinssätze von der Finanzverwaltung grundsätzlich anzuwenden. Es kann u.E. allgemein davon ausgegangen werden, dass die Ermittlung der Gutachterausschüsse auf den Vorgaben des BauGB, der ImmoWertV und den auslegenden Richtlinien beruhen. Ein Ausschluss aufgrund mangelnder Konformität zum Modell des BewG kommt nach Auffassung des BFH nicht in Betracht. Der Grundsatz dürfte gleichermaßen die Bewirtschaftungskosten (§ 187 BewG) und die Sachwertfaktoren (§ 191 BewG) gelten.
Beraterhinweis Vor Einreichung einer Klage, die sich gegen die mangelnde Modellkonformität der vom FA berücksichtigten erforderlichen Daten des Gutachte...