Joachim Patt, Fabian Bernhagen
2.3.1.1 Grundsätze
Tz. 54
Stand: EL 112 – ET: 12/2023
Die Veräußerung iSd § 22 Abs 1 S 1 UmwStG oder die Verwirklichung des gleichgestellten Ereignisses iSd § 22 Abs 1 S 6 UmwStG innerhalb der Sperrfrist löst objektiv (und unwiderlegbar) einen nachträglichen Einbringungsgewinn im VZ des stlichen Übertragungsstichtags (s § 20 Abs 5 S 1 iVm Abs 6 UmwStG) aus (s Tz 1–1a). Dieser nachträgliche Gewinn wird im Ges als Einbringungsgewinn I bezeichnet; hierdurch wird begrifflich eine Abgrenzung zu dem nachträglichen Einbringungsgewinn erreicht, der nach einem Anteilstausch gem § 22 Abs 2 UmwStG festzusetzen ist (sog Einbringungsgewinn II).
Es spielt keine Rolle, zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Sieben-Jahres-Frist der sperrfristverletzende Vorgang realisiert worden ist (dies ist nur für die Höhe des Gewinns maßgebend) oder ob der Veräußerungspreis bei Übertragung unterhalb des gW der Sacheinlage oder sogar unterhalb der stlichen AK/des stlichen Bw der Anteile liegt (zB wegen zwischenzeitlichen Wertverfalls der Anteile oder wegen einer Tw-Abschr auf den Bw der Anteile). Folglich führt auch die innerhalb der Sperrfrist erfolgte Veräußerung der Anteile mit einem Verlust zur nachträglichen Versteuerung eines Einbringungsgewinns I. Die Anteilsveräußerung ist nämlich unabhängig von ihrem stlichen Ergebnis nach allg Grundsätzen (s Tz 64) nur auslösender Tatbestand für die Versteuerung eines Einbringungsgewinns I (s Tz 27). Dies wird als Abkehr vom Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit kritisiert (s Krohn/Greulich, DStR 2008, 646/654; s Bilitewski, in H/M/B, 5. Aufl, § 22 UmwStG Rn 101; Billigkeitsmaßnahmen fordernd, wenn nach dem Einbringungsstichtag sinkende Unternehmenswerte durch die Corona-Krise begründet sind, s Bron, DStR 2020, 1009).
Tz. 54a
Stand: EL 112 – ET: 12/2023
- Einbringungsgewinn I als "feststehende Größe"
Nach der Systematik der Besteuerung von Einbringungssachverhalten gem §§ 20, 21, 25 UmwStG idF ab SEStEG (s Tz 1) knüpfen die Rechtsfolgen des § 22 Abs 1 S 1 UmwStG auf der Besteuerungsebene des Einbringenden und nunmehr AE der "erhaltenen Anteile" an der zurückliegenden Einbringung an (nachgelagerte Einbringungsgewinnbesteuerung). Im Fall der Verwirklichung der vom Ges-Geber als rechtsmissbräuchlich angesehenen Vorgänge (s Tz 1a) werden nachträglich die im Zeitpunkt der Einbringung aufgr der Minderbewertung unterhalb des gW zunächst nicht aufgedeckten stillen Reserven (als Ausgangsbasis) besteuert (ob neben den neuen Anteilen auch sonstige Gegenleistungen erbracht worden sind, ist hier irrelevant; die Zusatzleistungen spielen einzig für Zwecke der Einschränkung des Bw-Antrags iSd § 20 Abs 2 S 2 Nr 4 UmwStG eine Rolle). Dieser Betrag wird durch die stichtagsbezogene Bewertung der Einbringung "fixiert" (aber nicht formal festgestellt, s Tz 55) und erfährt als feststehende Größe für den (maximalen) nachträglichen Einbringungsgewinn I keine Veränderung mehr; weder durch Vorgänge oder Wertentwicklungen auf der Ebene des AE (s Tz 66) noch der übernehmenden Gesellschaft (s Bilitewski, in H/M/B, 5. Aufl, § 22 UmwStG Rn 107).
Tz. 54b
Stand: EL 112 – ET: 12/2023
- Quotale Besteuerung des Einbringungsgewinns I
Zur nachträglichen Festsetzung eines Einbringungsgewinns I kommt es, "soweit" der Einbringende die "erhaltenen Anteile" "veräußert" (s § 22 Abs 1 S 1 UmwStG). Der maximale Einbringungsgewinn I (s Tz 54a) wird daher (nur) dann versteuert, wenn die Gesamtbeteiligung der erhaltenen (dh sperrfristverhafteten) Anteile innerhalb der Sperrfrist vollentgeltlich veräußert wird. Die Einschränkung, dass der Einbringungsgewinn I "soweit" zu versteuern ist, bezieht sich uE sowohl auf die "erhaltenen Anteile" als auch auf den Vorgang der "Veräußerung". Wird demnach nur ein Teil der "erhaltenen Anteile" (s Tz 5ff) veräußert, kommt es auch nur zur anteiligen Besteuerung eines Einbringungsgewinns I (allg Meinung; zB s Nitzschke, in Brandis/Heuermann, § 22 UmwStG 2006 Rn 48; s Bilitewski, in H/M/B, 5. Aufl, § 22 UmwStG Rn 133–134; s Schmitt, in S/H, 9. Aufl, § 22 UmwStG Rn 53; s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 249; s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.04). Hier ist das Verhältnis maßgebend, in dem der Teil der veräußerten (sperrfristverhafteten) Beteiligung zu den aus dem Sacheinlagevorgang erhaltenen neuen Anteilen an der Übernehmerin steht (Bsp s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.04). Maßgebend für die Quote ist das "Gesamtbeteiligungspaket" der sperrfristverhafteten Anteile aus der Einbringung. Dies wird insbes dann relevant, wenn sich die Sperrfristverhaftung nach der Einbringung auf mehrere Anteile und/oder AE "verteilt". Verschenkt zB der Einbringende seine erhaltenen Anteile zur Hälfte an einen Angehörigen, so dass dieser nach § 22 Abs 6 UmwStG insoweit als Rechtsnachfolger gilt, ist ein Einbringungsgewinn I zu 50 % festzusetzen, wenn der Angehörige die unentgeltlich erworbene Beteiligung als Ganzes veräußert, und zu 25 % festzusetzen, wenn der originäre Einbringende die Hälfte seiner (Rest-)Beteiligung veräußert. Gleiches gilt in den Fällen der Mi...