Tz. 122
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Von Zeit zu Zeit taucht in der Rspr des BFH die "Üblichkeit" als Indiz für die Prüfung der gesellschaftlichen Veranlassung eines Vorgangs auf; zB s Urt des BFH v 13.12.1989, BStBl II 1990, 454 zu einem Anstellungsvertrag: "Ein fremder Arbeitnehmer würde einer Regelung nicht zustimmen, die ihn einseitig benachteiligt und vom Inhalt aller üblicherweise geschlossenen Arbeitsverträge abweicht". Der BFH macht also auch die Üblichkeit zu einem Prüfungskriterium der Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis. Dabei geht es darum, ob die vertragliche Vereinbarung dem Grunde nach einem Fremdvergleich standhält. Es ist also zu prüfen, ob die getroffene Vereinbarung in dieser Form auch zwischen nicht gesellschaftlich miteinander verbundenen Personen geschlossen worden wäre. Auch dabei ist der Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (zB s Urt des BFH v 02.12.1992, BStBl II 1993, 311 zu einer sog Nur-Tantieme; s Urt des BFH v 16.12.1992, BStBl II 1993, 455 zu einer sofort unverfallbaren Pensionszusage; s Urt des BFH v 27.03.2001, BStBl II 2001, 655 zu Überstundenvergütungen; s Urt des BFH v 11.08.2004, GmbHR 2005, 111; s Urt des BFH v 21.10.2014, BStBl II 2015, 638 zur Weiterleitung erstatteter AG-Anteile zur Rentenversicherung an Arbeitnehmer einer GmbH).
Tats handelt es sich bei der "Üblichkeit" nicht um ein eigenständiges Kriterium, sondern eher um einen Anhaltspunkt iRd Fremdvergleichs (so auch s Schuhmann, FR 1994, 309, der die Üblichkeit als "Grundlage" des Fremdvergleichs versteht; ebenso s Gosch, § 8 KStG Rn 345). Die weitere Rspr des BFH zeigt dies inzwischen deutlich. Der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter wird idR übliche Vereinbarungen abschließen. Die Üblichkeit ist unabhängig davon zu prüfen, ob es sich bei dem Vertragspartner um einen beherrschenden oder nicht beherrschenden Gesellschafter (oder eine nahe stehende Person zu diesen) handelt; s Urt des BFH v 19.03.1997 (BStBl II 1997, 577). Zur Kritik am Kriterium der Unüblichkeit s Kohlhepp (in Schn/F, § 8 KStG Rn 439).
Tz. 123
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Die "Üblichkeit" wird zB auch herangezogen, wenn der Wettbewerbsbereich der Kap-Ges dadurch beeinträchtigt wird, dass ihr Rechtsgeschäfte "aufgedrängt" werden, die sie sonst – gemessen am Fremdvergleich – nicht abgeschlossen hätte. Maßstab ist dabei das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (s Urt des BFH v 12.06.1997, DStR 1997, 1360). Fremdvergleich und Geschäftschancenlehre schützen demnach den Wettbewerbsbereich nicht bloß gegen nachteilige Eingriffe der GF, sondern verhindern zugleich auch die Zuteilung von Geschäften mit vermeintlich guten Geschäftschancen für die Kap-Ges, die sie unter objektiven Umständen nicht übernommen hätte. Allerdings dürfen einzelne Kriterien des Fremdvergleichs nicht iSv absoluten Tatbestandsvoraussetzungen verstanden werden, sondern sind lediglich als Anzeichen zu würdigen; s Urt des BFH v 29.10.1997 (BStBl II 1998, 573); dazu auch s Tz 203 hinsichtlich des Rückwirkungsverbots.
Nicht jede unübliche Vereinbarung ist bereits zwingend im Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Es kann in bestimmten Situationen für eine Kö durchaus angebracht und ggf auch wirtschaftlich sinnvoll sein, eine unübliche Vereinbarung abzuschließen. Darauf weist auch der BFH hin, wenn er die Unüblichkeit der Vereinbarung allenfalls als Indiz für die mangelnde Ausgewogenheit der gegenseitigen Leistungen ansieht, das Anlass für eine gezielte Prüfung der Angemessenheit gibt; s Urt des BFH v 28.10.1987, BFH/NV 1989, 131 zum vergleichbaren Problem bei einem Ehegatten-Arbeitsverhältnis, für das der BFH auch die Sicht des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bemüht. Nicht jede unübliche Vereinbarung muss auch zu einer Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung führen. In der Wirtschaftspraxis können Erträge des Öfteren nur durch (zuvor) unübliche Vereinbarungen und Methoden erzielt werden – jede neue Idee ist zunächst einmal unüblich. Deshalb wird die fehlende Üblichkeit tw auch nur als Anlass für eine kritische Angemessenheitsprüfung gesehen; zB s Frotscher in F/D, Anh zu § 8 KStG Rn 196. Natürlich gibt es aber auch übliche Vereinbarungen, die dennoch im Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind.
Tz. 124
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Einem Gesellschafter bleibt es allerdings trotz des Üblichkeits-Kriteriums unbenommen, den Gegenwert für eine gegenüber der Kö erbrachte Leistung in einer GA zu finden (zB s Beschl des BFH v 26.10.1987, BStBl II 1988, 348, 355; s Urt des BFH v 21.12.1994, DB 1995, 1312). Der Gesellschafter darf also zB grds unentgeltlich oder verbilligt für die Kö tätig sein, ohne dass dies die Üblichkeit der vertraglichen Gestaltung beeinträchtigt; s Urt des BFH 15.12.2004, BFH/NV 2005, 1374, zu Tätigkeitsvergütungen: "Einem Ges-GF ist es unbenommen, als angestellter GF gegen ein vergleichsweise niedriges Gehalt tätig zu werden. Er ist nicht verpflichtet, dieses auf ein angemessenes, markt...