Tz. 200
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Im Verhältnis zwischen Gesellschaft und beherrschenden Gesellschaftern ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn es an einer zivilrechtlich wirksamen, klaren und im Voraus abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters zu zahlen ist, oder wenn nicht einer klaren Vereinbarung entspr verfahren wird (s R 8.5 Abs 2 S 1 KStR 2015). Diese Grundsätze wurden durch den BFH für beherrschende Gesellschaftsverhältnisse entwickelt, da bei Vertragsverhältnissen zwischen beherrschenden Gesellschaftern und ihrer Gesellschaft die üblicherweise bei mehrgliedrigen Gesellschaften anzutreffenden Interessengegensätze fehlen. Es handelt sich um eine Sonder-Rspr, die den formellen Fremdvergleich in den Vordergrund rückt. Betroffen davon ist das vGA-Merkmal "Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis". Ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot kann unabhängig von der Angemessenheit der Vergütungen, die an einen Gesellschafter oder an eine ihm nahe stehende Person gezahlt werden, zu einer vGA führen. Es handelt sich somit um eine vGA besonderer Art ("Typ B"). Tw wird das Rückwirkungsverbot auch als Nachzahlungsverbot bezeichnet; die Begriffe stehen gleichwertig nebeneinander.
Eine vGA iSv § 8 Abs 3 S 2 KStG an den beherrschenden Gesellschafter liegt somit vor, wenn keine
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zivilrechtlich wirksame, |
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klare und eindeutige, |
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von vornherein abgeschlossene und |
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tats durchgeführte Vereinbarung |
vorliegt.
Zur Eink-Qualifizierung des beherrschenden Gesellschafters einer GmbH s Seer (GmbHR 2011, 225), der – uE unzutr und entgegen der Rspr und der hM in der Lit – zur Auff gelangt, dass ein beherrschender Gesellschafter kein Arbeitnehmer, sondern selbständig tätig sei und deshalb Gewerbetreibender iSv § 15 Abs 1 Nr 1 EStG.
Tz. 201
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Einem beherrschenden Gesellschafter eine Kap-Ges steht es grds frei, sich für Leistungen, die er gegenüber seiner Gesellschaft erbringt, eine Vergütung in schuldrechtlicher Form (zB als GF-Gehalt) oder in gesellschaftsrechtlicher Form (also als GA) gewähren zu lassen. Das Rückwirkungsverbot verlangt von ihm, dass er sich im Voraus für die eine oder andere Form der Vergütung entscheidet. Es soll ihm insbes nicht möglich sein, im Nachhinein zur schuldrechtlichen Vergütungsform überzugehen und damit nachträglich den Gewinn der Kö zu vermindern. Ansonsten könnte der Gewinn seiner Kap-Ges durch den beherrschenden Gesellschafter rückwirkend verändert werden ("Vermögensverschiebung"). Die Vermögenssphäre der Gesellschaft und des (beherrschenden) Gesellschafters wären dann nicht mehr sauber getrennt. Leistungen der Gesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter, die den Anforderungen des Rückwirkungsverbots nicht entsprechen, indizieren die fehlende Ernsthaftigkeit der schuldrechtlichen Vereinbarungen. Der BFH hält eine klare, nachweisbare und im Voraus getroffene Vereinbarung für geeignet, die engen und oft schwer durchschaubaren Beziehungen zwischen einer Kap-Ges und ihrem beherrschenden Ges-GF zu ordnen und offenzulegen; so bereits s Urt des BFH v 09.01.1969, BStBl II 1969, 268. Die Rspr des BFH zum Rückwirkungsverbot wird in der Fachlit mehr oder weniger heftig kritisiert; zB s Frotscher in F/D, Anh zu § 8 KStG Rn 118ff mwNachw; dagegen grds zustimmend zB s Rengers in H/H/R, § 8 KStG Rn 296; s Gosch, § 8 KStG Rn 321 (mit Hinweis, dass die Sonderbedingungen für beherrschende Gesellschafter nicht in den Rang eines Begriffsmerkmals der vGA erwachsen dürften); noch stärker differenzierend s Schwedhelm in Streck, § 8 KStG Rn 321 ("in der Strenge kaum verständlich"; vor allem gegen das Verlangen von Formerfordernissen, die dem Zivilrecht nicht entsprechen); krit auch s Kohlhepp (in Schn/F, § 8 KStG Rn 370) mit dem Hinw auf die Liberalisierungen durch die BFH-Rspr der letzten Zeit (was den "formellen Fremdvergleich" akzeptabler mache); dazu s Tz 203.
Eine ähnliche Problematik und vergleichbare Anerkennungskriterien bestehen bei der estlichen Anerkennung von Verträgen unter Angehörigen (dazu s R 4.8 EStR/H 4.8 EStH). Die Anerkennungsvoraussetzungen sind allerdings nicht vollständig identisch; zB s Urt des BFH v 28.10.1987, BFH/NV 1989, 131.
Tz. 202
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Liegt ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor (fehlt es also an einer zivilrechtlich wirksamen, klaren und im Voraus geschlossenen Vereinbarung oder wurde nicht tats entspr verfahren), sind die Vergütungen an den Gesellschafter als vGA zu qualifizieren; die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis wird fingiert. Dies gilt selbst dann, wenn sie angemessen sind und dem Grunde sowie der Höhe nach einem Fremdvergleich standhalten; zB s Beschl des BFH v 12.10.1995, BFH/NV 1996, 266. Selbst ein betriebsinterner Fremdvergleich ist nicht geeignet, eine vGA wegen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot zu verhindern (s Urt des BFH v 11.12.1991, BStBl II 1992, 434, zu einem Fall, in dem zur gleiche...