Joachim Patt, Fabian Bernhagen
3.2.1 Tatbestand (Übersicht)
Tz. 70
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Der Tatbestand, der die Rechtsfolgen des § 22 Abs 2 S 1 iVm S 2–4 UmwStG (s Tz 78ff) auslöst, ist
- die unmittelbare, mittelbare oder fiktive Veräußerung (s Tz 70a, 70b)
- oder die Verwirklichung gleichgestellter Vorgänge (s § 22 Abs 2 S 6 UmwStG; s Tz 71, 71a)
- in Bezug auf die iRe qualifizierten Anteilstauschs gem § 21 Abs 1 S 2 UmwStG eingebrachten Anteile (s Tz 5 und 7) auf diesen beruhenden (s Tz 15ff) oder mitverstrickten Anteile (s Tz 14), wenn die Einbringung mit einem Wert unterhalb des gW angesetzt worden sind (dazu s Tz 16–18),
- oder in Bezug auf die iRe Einbringung gem §§ 20 Abs 1, 25 UmwStG enthalten Anteile an Kap-Ges/Gen, auf diesen beruhenden (s Tz 15ff) oder mitverstrickten Anteile (s Tz 14), wenn diese unter dem gW angesetzt worden sind (s Tz 16–18)
- durch die übernehmende Gesellschaft oder deren Rechtsnachfolgerin (s Tz 23)
- innerhalb der Sieben-Jahres-Frist (s Tz 19ff),
- unabhängig von der Besteuerung des VG bei der Übernehmerin (s Tz 74)
- wenn und soweit beim Einbringenden ein gedachter Gewinn aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile im Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs 2 KStG stfrei gewesen wäre (s Tz 72–73c) und
- wenn und soweit der Einbringende die erhaltenen Anteile noch nicht veräußert hat (s § 22 Abs 2 S 5 HS 1 UmwStG s Tz 75ff) oder
- die stillen Reserven der erhaltenen Anteile nach § 6 AStG ohne Stundung der St-Schuld besteuert wurden (s § 22 Abs 2 S 5 Hs 2 UmwStG; s Tz 77).
3.2.2 Unmittelbare oder mittelbare Veräußerung der erhaltenen Anteile (§ 22 Abs 2 S 1 UmwStG)
Tz. 70a
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Eine sperrfristschädliche Verfügung über die eingebrachten Anteile iSd § 22 Abs 2 S 1 UmwStG ist die unmittelbare oder mittelbare Veräußerung der Beteiligung durch die Übernehmerin. Dabei bedeutet (unmittelbare) Veräußerung die entgeltliche Übertragung der Gesellschaftsanteile auf einen anderen Rechtsträger (s Urt des BFH v 24.01.2018, BStBl II 2019, 45 unter Rn 18). Zu den entgeltlichen Übertragungen iSd § 22 Abs 2 S 1 UmwStG rechnen somit auch tauschähnliche Vorgänge (zB Einbringungen/Umwandlungen gegen Erwerb von Gesellschaftsanteilen; s Urt des BFH v 18.11.2020, BStBl II 2021, 732 unter Rn 19; Ausnahmen s Tz 71). Damit ist der Veräußerungsbegriff inhaltsgleich mit dem Begriff in § 22 Abs 1 S 1 UmwStG (zust s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 443; zu den Veräußerungsvorgängen s Tz 27ff). Auch die mittelbare Veräußerung muss gegen eine Gegenleistung erfolgen. In diesem Fall kommt es aufgr einer entgeltlichen Übertragung zu einer Realisierung der stillen Reserven in den sperrfristverhafteten Anteilen, die der Übernehmerin stlich zuzurechnen ist, und einem Wechsel in der St-Verhaftung in Bezug auf die Anteile von der Übernehmerin zu einer dritten Pers (s Tz 70b).
Die Nichterbringung des Nachw gem § 22 Abs 3 UmwStG gilt als Veräußerung der sperrfristverhafteten Anteile durch die Übernehmerin (s Tz 92).
Tz. 70b
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Die Regelung des § 22 Abs 2 UmwStG ist nicht nur beim Anteilstausch iSd § 21 UmwStG, sondern auch im Fall Einbringung eines (Teil-)Betriebs oder MU-Anteils gem § 20 Abs 1 UmwStG anzuwenden, wenn und soweit die Sacheinlage über Anteile an Kap-Ges oder Gen verfügt (s Tz 53). Bei einer (Teil-)Betriebseinbringung gelangen die im eingebrachten BV enthaltenen Anteile in das stliche Vermögen der übernehmenden Gesellschaft. Folglich kann nur diese selbst eine (unmittelbare) Veräußerung der Anteile veranlassen. Wird allerdings ein MU-Anteil eingebracht und gehört zum Gesamthandsvermögen der MU-Schaft die Beteiligung an einer Kap-Ges oder Gen, rechnet die Beteiligung weiterhin zum mitunternehmerischen BV der MU-Schaft als St-Subjekt in Bezug auf die Eink-Erzielung und –Ermittlung. Eine unmittelbare Veräußerung der Anteile wäre nur durch die MU-Schaft möglich. In diesem Fall kommt § 22 Abs 2 S 1 UmwStG gleichwohl zur Anwendung, weil nach Ergänzung der Vorschrift durch das JStG 2009 ausdrücklich die mittelbare Veräußerung der sperrfristverhafteten Anteile erfasst wird. Eine solche mittelbare Veräußerung liegt im Fall der entgeltlichen Anteilsübertragung durch die MU-Schaft vor, weil das stliche Ergebnis der MU-Schaft einschl des VG aus der Übertragung der sperrfristverhafteten Anteile der übernehmenden Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als MU als eigene und originär bezogene Eink zugerechnet wird (s § 8 Abs 1 KStG iVm § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 S 1 EStG; ebenso s F/D, § 22 UmwStG Rn 258; zweifelnd s Nitzschke, in Brandis/Heuermann, § 22 UmwStG 2006 Rn 74). Vorstehendes gilt auch, wenn die MU-Schaft einen Teilbetrieb inkl der sperrfristverhafteten Beteiligung oder den Betrieb veräußert.
Es kann dahinstehen, ob im Fall der Veräußerung des eingebrachten MU-Anteils durch die übernehmende Gesellschaft/MU als unmittelbare oder mittelbare Veräußerung der Anteile anzusehen ist. Schließlich gilt § 22 Abs 2 S 1 UmwStG für beide Veräußerungsvorgänge gleichermaßen (im Ergebnis ebenso s Nitzschke, in Brandis/Heuermann, § 22 UmwStG 2006 Rn 74; aA s Schmitt, in S/H, 9. Aufl, § 22 UmwStG Rn 109: insgesamt – nur – Anwendung von § 22 Abs 1 S ...