Tz. 253
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Nach § 181 BGB kann ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen keine Rechtsgeschäfte vornehmen (In-Sich-Geschäfte), soweit ihm nichts anderes gestattet ist.
Schließt danach der alleinige Ges-GF im Namen der Gesellschaft mit sich selbst Rechtsgeschäfte ab, ohne wirksam von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit zu sein, so sind diese Rechtsgeschäfte mangels Vertretungsmacht zivilrechtlich (schwebend) unwirksam (s § 177 Abs 1 BGB). Genehmigt der Vertretene das Rechtsgeschäft, ist es von Anfang an voll wirksam (s §§ 177, 184 BGB).
Wenn § 181 BGB dem Vertreter verbietet, mit sich selbst im Namen des Vertretenen ein Rechtsgeschäft abzuschließen, beruht dies auf der – einer typisierenden Betrachtung zu Grunde liegenden – Erwägung, dass bei derartigen Geschäften die nahe liegende Gefahr von Interessenkollisionen besteht, der durch das Verbot begegnet werden soll. Dieses Verbot ist indessen nicht zwingender Natur. Der Vertretene kann sich vielmehr in privatautonomer Entsch dieses vorbeugenden Schutzes begeben und den Vertreter von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien. Bei einer AG ist eine Befreiung allerdings nicht möglich; s § 23 Abs 5 AktG.
Tz. 254
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Bei Organen juristischer Personen kann diese Befreiung im Wege einer entspr Satzungsregelung erfolgen. Wenn mehrere Gesellschafter vorhanden sind, ist eine generelle oder auf den Einzelfall bezogene Gestattung (Gesellschafter-Beschl) durch das Bestellorgan, bei der GmbH durch die Gesellschafterversammlung, bei der AG durch den Aufsichtsrat möglich.
Für die generelle Gestattung muss aber in der Satzung eine Grundlage vorhanden sein. Fehlt eine Ermächtigung in der Satzung, ist eine Satzungsänderung erforderlich; s Urt des OLG Köln v 02.10.1992 (NJW 1993, 1018). Ein Gesellschafter-Beschl alleine ist für die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nicht ausreichend.
Tz. 255
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Ist überhaupt nur ein Gesellschafter vorhanden, so spielt der genannte Schutzzweck des § 181 BGB einen Interessenwiderstreit zwischen Vertreter und Vertretenen zu vermeiden, an sich keine Rolle, denn wirtsch betrachtet besteht kein Interessengegensatz zwischen dem Allein-Ges-GF und "seiner" GmbH. Früher hatte die höchstrichterliche Rspr des BGH deswegen das Selbstkontrahierungsverbot in diesen Fällen nicht angewandt. Mit der Einfügung des § 35 Abs 4 S 1 GmbHG durch die GmbH-Novelle 1980 ist diese Rspr überholt. Auch für die so genannte "Ein-Personen-GmbH" ist seither § 181 BGB uneingeschr anzuwenden.
Anders als bei einer GmbH mit mehreren Gesellschaftern ist aber hier die Möglichkeit versperrt, die Befreiung durch Gesellschafter-Beschl zu erteilen. Andernfalls liefe die im Interesse der außen stehenden Dritten angeordnete Anwendbarkeit des § 181 BGB weitgehend leer.
Zum "Risiko-Insichgeschäft" im GmbH-Recht s Singer (NWB 2015, 664).
Tz. 256
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Deswegen ist zivilrechtlich anerkannt, dass bei einer GmbH, die nur einen Gesellschafter hat, der zugleich ihr GF ist, Dispens von den Beschränkungen des § 181 BGB allein durch die Satzung, nicht jedoch durch einfachen Gesellschafter-Beschl erteilt werden kann. Soweit die Satzung eine entspr Regelung nicht von vornherein vorsieht, ist eine Satzungsänderung erforderlich. Satzungsmäßige Ermächtigung, ihre Ausübung in notarieller Urkunde und die entspr Eintragung in das H-Reg genügen den Anforderungen an eine wirksame Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot.
Bei einer AG werden Geschäfte mit dem Vorstand vom Aufsichtsrat abgeschlossen; das Selbstkontrahierungsverbot hat hier somit nur eine geringere Bedeutung.
Tz. 257
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Die einem Ges-GF einer mehrgliedrigen GmbH erteilte Befreiung nach § 181 BGB bleibt auch dann wirksam, wenn sich die GmbH in eine Ein-Personen-GmbH verwandelt; s Urt des BFH v 13.03.1991 (BStBl II 1991, 597). Dazu auch s Reinicke/Tiedke (GmbHR 1990, 200); s Tiedtke (DStZ 1990, 391); s Gosch (DStR 1991, 765).
Erteilt sich der alleinige Gesellschafter-GF der GmbH wirksam Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot vor Auflösung der Gesellschaft, so ist der Beschl dahin zu verstehen, dass die Befreiung auch im Liquidationsstadium fortbestehen soll (s Urt des BFH v 12.07.2001, GmbHR 2001, 927). Zu diesem Urt sowie weiteren Sachverhaltskonstellationen s Wälzholz (GmbHR 2002, 305).
Tz. 258
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Wie bereits ausgeführt kann der Mangel der schwebenden Unwirksamkeit durch nachträgliche Genehmigung geheilt werden. Nach der früheren Rspr des BFH war in diesen Fällen allerdings das stliche Rückwirkungsverbot zu beachten, so dass diese zivilrechtlich zweifellos gegebene Rückwirkung stlich nicht nachzuvollziehen war; s Urt des BFH v 20.09.1967 (BStBl II 1968, 49) und v 22.09.1976 (BStBl II 1977, 15).
Tz. 259
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Abweichend von in der Vergangenheit vielfach entschiedenen Fällen erkennt der BFH aber zwischenzeitlich die nachträgliche Genehmigung der Befreiung von § 181 BGB und die ...