Helmut Krämer, Lukas Gläßer
Tz. 42
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Im Bereich der KSt-Veranlagung ist der häufigste Fall von St-Anrechnung die Anrechnung von einbehaltener KapSt. Zu den allg Voraussetzungen für die Anrechnung s Tz 41. Weitere Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass die in § 45a Abs 2 oder Abs 3 EStG genannte Bescheinigung vorgelegt wird (s § 36 Abs 2 Nr 2 S 2–4 EStG). Zu den Rechtsfolgen eines späteren Widerrufs oder der Rückgabe einer einmal vorgelegten Bescheinigung s Urt des BFH v 20.10.2010 (BFH/NV 2011, 641) und s Beschl des Hess FG v 08.10.2012 (EFG 2013, 47; die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entsch angenommen, Beschl v 15.07.2013, 2 BvR 2594/12). Die durch St-Abzug erhobene KSt (= KapSt) wird auch insoweit angerechnet, als sie auf Bezüge entfällt, die nach § 8b Abs 1, 2 und Abs 6 S 2 KStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben (s § 36 Abs 2 Nr 2 Buchst b EStG). Zur Anrechnung von auf einen (st-freien) VG iSd § 8b Abs 2 KStG in Ausnahmefällen einzubehaltender KapSt iRd Veranlagung s § 8b KStG Tz 144.
Nach der Rspr (s Urt des FG Münster v 13.05.2009, EFG 2009, 1552) ist die im Einklang mit dem geltenden Recht erhobene KapSt auch dann als "erhoben" iSd § 36 Abs 2 Nr 2 EStG anzusehen (und damit anzurechnen), wenn das FA die KapSt ohne rechtliche Grundlage an den Abzugsverpflichteten (ausschüttende Kap-Ges) zurückzahlt und die ausschüttende Kap-Ges die zurückgezahlte KapSt tw an den Gläubiger der Kap-Erträge weiterleitet. Dieses Urt steht im Zusammenhang mit der Anerkennung des sog "Rücklagenmanagements" zur Mobilisierung von KSt-Guthaben beim Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeink-Verfahren; hierzu s Urt des BFH v 28.06.2006 (BFH/NV 2006, 2207). Der BFH hat in der Rev gegen das Urt des FG Münster v 13.05.2009 (EFG 2009, 1552) die Sache an das FG zurückverwiesen. Nach Rechtsauff des BFH (s Urt v 20.10.2010, BFH/NV 2011, 641) ist das in § 36 Abs 2 Nr 2 S 1 EStG enthaltene Tatbestandmerkmal, wonach eine durch St-Abzug erhobene St nur angerechnet werden könne, wenn "nicht die Erstattung beantragt oder durchgeführt worden ist", "wirtsch" zu verstehen. Nach diesem wirtsch Verständnis sei in den beschriebenen Fällen, in denen der Abzugsverpflichtete die (an ihn erstattete) St an den St-Schuldner weiterleitete und Letzterer dies als Auskehrung des Abzugsbetrags erkennen konnte, eine Erstattung der St iSd § 36 Abs 2 Nr 2 S 1 EStG erfolgt. In der Rev im zweiten Rechtszug dieses Verfahrens hat sich der VII. Senat des BFH der Rspr des I. Senats angeschlossen (s Urt des BFH v 07.07.2015, BFH/NV 2015, 1683) und die Weiterleitung der an den Abzugsverpflichteten erstatteten KapSt an den St-Schuldner unter wirtsch Gesichtspunkten als Erstattung angesehen, die eine Anrechnung ausschließt.
Tz. 43
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Aufgr der Rspr des EuGH (u. a. Urt v 27.06.1996, C234/94, DB 1996, 1400 und Berichtigungsbeschl hierzu v 10.07.1997, C-234/94, DB 1997, 1513) und des BGH (ua Urt v 12.01.1998, BGHZ 137, 378), der sich der BFH und die FinVerw angeschlossen haben, bestand eine Aktivierungspflicht für den bei einer Konzerngesellschaft, die allein an einer GmbH beteiligt ist, den bei der TG erzielten und zur Ausschüttung vorgesehen Gewinn noch für das gleiche Geschäftsjahr in ihrer Bil und der G + V-Rechnung ("phasengleiche Vereinnahmung"). Für die Voraussetzungen s Vfg der OFD Ffm v 15.07.1992 (DStR 1992, 203) und s Vfg der OFD Hannover v 29.01.1992 (BB 1992, 466).
Im Falle der vorgezogenen Aktivierung ("phasengleiche Vereinnahmung") eines Anteils am Gewinn (Dividende) ist die KapSt bereits in dem VZ anzurechnen, in dem auch der Gewinnanspruch versteuert wird.
Diese Rspr ist durch den Beschl des GrS des BFH v 07.08.2000 (BStBl II 2000, 632) überholt. Er entschied, dass eine Kap-Ges, die mehrheitlich an einer anderen Kap-Ges beteiligt ist, Dividendenansprüche aus einer zum Bil-Stichtag noch nicht beschlossenen Gewinnverwendung der nachgeschalteten Ges grds nicht aktivieren darf. In der Begr seines Urt v 07.02.2007 (BStBl II 2008, 340) hat der I. Senat des BFH im Ergebnis die Deutung des oa Beschl des GrS v 07.08.2000 durch die hM bestätigt, wonach die phasengleiche Aktivierung nicht abgeschafft, sondern "auf Sparflamme" weiterlebt.
Tz. 44
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Bei überdotierten und damit nach § 6 Abs 5 KStG partiell stpfl UK kommt – wegen der Abhängigkeit der St-Anrechnung von der Erfassung der Eink iRd Veranlagung (s Tz 41) – eine Anrechnung der einbehaltenen KapSt nur anteilig in jenem Umfang in Betracht, der rechnerisch den bei der KSt-Veranlagung erfassten Eink entspr. Eine vorrangige Zuordnung der dem St-Abzug unterliegenden Eink zum partiell stpfl Einkommen mit dem Ziel der vollen Anrechnung der KapSt kommt nicht in Betracht (s Urt des BFH v 31.07.1991, BStBl II 1992, 98, s H 6 "Anrechnung von St-Abzugsbeträgen" KStH 2022 und s § 6 KStG Tz 30).