Tz. 49
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Abs 5 wurde aufgr folgender Vorgeschichte ins Ges eingefügt (ausführlich s auch Anissimov/Stöber DStZ 2013, 379ff; Endert in F/D, KStG § 32 Rn 49ff): Soweit nicht bereits die Anwendung der MT-RiLi eine Belastung mit KapSt verhindert (s § 2 KStG Tz 149 ff), wurde schon lange bezweifelt, ob die Abgeltungswirkung der KapSt mit EU-Recht vereinbar ist (zu weiteren europarechtlichen Fragen s Tz 6a und zu Abs 6 s Tz 60). Für die davon betroffenen sog Streubesitzdividenden entschied dann der EuGH iRe Vertragsverletzungsverfahrens gegen D, dass es bei Anteilseignern aus EU/EWR-Staaten gegen die Kap-Verkehrsfreiheit verstößt, wenn und soweit die darauf erhobene KapSt wegen der Abgeltungswirkung des § 32 Abs 1 Nr 2 KStG zu einer definitiven St-Belastung führt (s EuGH v 20.10.2011, C-284/09, DStR 2011, 2038; dazu s Duttiné/Stumm BB 2012, 867; s Grieser/Faller DB 2012, 1296; s Kessler/Dietrich, DStR 2011, 2131; s Wiese/Strahl, DStR 2012, 1426; s Schnitger, DB 2012, 305). Nach längerer Diskussion hat der Ges-Geber dem EU-Recht vorrangig dadurch Rechnung getragen, dass er Streubesitzdividenden generell der StPflicht unterwirft (s § 8b Abs 4 als Ausnahme zu § 8b Abs 1, dazu s § 8b KStG Tz 274ff; krit Anissimov/Stöber, DStZ 2013, 379, 380f mwNachw; zur Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht s § 8b Tz 275 mwNachw; aber s u Tz 51, 58). Eine ges Regelung der Erstattung von EU-rechtlich zu Unrecht erhobener KapSt war aber dennoch erforderlich, und zwar zum Einen für Fälle vor Wirksamwerden des § 8b Abs 4 nF und zum Anderen deswegen, weil bestimmte pauschalierende Regelungen des § 8b Abs 4 nF dazu führen können, dass § 8b Abs 1 auch bei Streubesitzdividenden im Einzelfall nach wie vor greift (s Tz 56, s § 8b KStG Tz 289).
Tz. 50
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Vor dieser Änderung hatte der BFH urspr noch einen EU-Rechtsverstoß verneint (s BFH v 22.04.2009, I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543), dann aber die EuGH-Rspr übernommen und ergänzend entschieden, dass die Erstattung einer demnach zu Unrecht gezahlten KapSt beim gem § 20 Abs 3 und 4 AO zuständigen FA zu erlangen war, gestützt auf eine analoge Anwendung des § 50d Abs 1 EStG (aF) mittels Antrag auf Erl eines Freistellungsbescheides analog § 155 Abs 1 S 3 AO. Dieser beseitige den in der KapSt-Anmeldung liegenden Rechtsgrund für die Abführung der KapSt, wodurch der Weg für eine Erstattung gem § 37 Abs 2 AO frei werde; ein Freistellungsverfahren beim BZSt komme hingegen nicht in Betracht (s BFH-Urt v 11.01.2012, I R 25/10, BFH/NV 2012, 871 und I R 30/10, IStR 2012, 379; zT aA vorher Duttiné/Stumm BB 2012, 867; krit s Klein/Hagena, FR 2012, 528; s Wiese/Strahl, DStR 2012, 1426). Ein solcher Antrag ist innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist zu stellen (dazu s Grieser/Faller DB 2012, 1296; s auch BFH Urt v 13.04.2021, BFH/NV 2021, 1349). Er konnte nach zutr Ansicht urspr (nunmehr aber s Tz 56) nicht zur kompletten Erstattung der KapSt führen, da auch die Vergleichsgr der unbeschr stpfl Kap-Ges wegen § 8b Abs 5 KStG einer endgültigen Belastung iHv 5 % unterliegt (zutr Grieser/Faller DB 2012, 1296, 1299; wohl ebenso s Wiese/Strahl, DStR 2012, 1426, 1429; im Detail str, näher s Petersen, IStR 2012, 238, 239 mwNachw; s Schnitger, DB 2012, 305, 306f; danach wäre die KapSt zT aufrecht zu erhalten, nämlich iHv 5 % von KapSt zzgl ggf SolZ). Aus der BFH-Rspr (aaO) folgte außerdem implizit, dass das Urt des EuGH die Abgeltungswirkung des § 32 Abs 1 Nr 2 KStG nicht unmittelbar außer Kraft setzte, also keine Veranlagung möglich war und ist (krit s Wiese/Strahl, DStR 2012, 1426; vor den BFH-Urt aA s Duttiné/Stumm, BB 2012, 867; dazu s auch oben Tz 6a). Diese Rspr bildet auch in den seltenen Fallgr, die nicht ges geregelt sind, aber aus EU-rechtlichen Gründen zur Erstattung führen müssen, nach wie vor das verfahrensrechtliche Fundament (zB BFH Urt v 13.04.2021, BFH/NV 2021, 1349; dazu Wagenblast/Sommer, IStR 2022, 197), vgl dazu auch Tz 54.
Tz. 51
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Inwieweit sich auch Anteilseigner aus Drittstaaten (weder EU- noch EWR-Staaten, also über Abs 5 S 1 Nr 1 Buchst a und b hinaus) auf all dies berufen können, bedarf nach wie vor genauerer Klärung. Nach Gosch (in NWB 2012, 4043ff) können sich bei der – inzwischen durch Abs 5 Ges gewordenen – sog "Erstattungslösung" Drittstaaten-Gesellschaften nicht auf die Kap-Verkehrsfreiheit berufen (allg s Duttiné/Stumm BB 2012, 867, 872 mwNachw; s Schnitger, DB 2012, 305, 308f). Abs 5 regelt diese Frage – offenbar bewusst – nicht unmittelbar (krit zB Anissimov/Stöber, DStZ 2013, 379, 383). Eine Berufung einer Drittstaaten-Gesellschaft auf die Kap-Verkehrsfreiheit scheidet jedenfalls dann aus, wenn sie sicheren Einfluss auf die (ausschüttende Tochter-)Gesellschaft besitzt (so unter Berufung auf BFH s FG Ddf Urt v 02.03.2022, EFG 2022, 598 m Anm Dörnhaus, Rev unter I R 16/22; aA Hohage, NWB 2022, 1302; Anissimov in Lademann, KStG, § 32 Rn 140; wohl auch Kögel in Gosch, KStG, § 32 Rn 53; ausführlich und differenzierend ...