Andreas Benecke, Dr. Wendelin Staats
Tz. 639
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Mit Urt des BFH v 17.07.2008, BStBl II 2009, 464 (Nichtanwendungserl s BMF-Schr v 20.05.2009, BStBl I 2009, 671), hat der I. Senat seine bisherige langjährige Rspr zur sog finalen Entnahmetheorie "aufgegeben" (s Tz 226ff). Die dort aufgestellten Grundsätze hat er anschließend auf die finale Entnahmetheorie bei Betriebsverlegung übertragen (s BFH v 28.10.2009, IStR 2010, 98 und v 28.10.2009, IStR 2010, 103, mit Anm Gosch, BFH/PR 2010, 116). Mit der Einführung des § 16 Abs 3a EStG durch das JStG 2010 vom 08.12.2009 (BGBl I S. 1768) hat der Ges-Geber auf diese Änderung der Rspr zur finalen Entnahmetheorie bei Betriebsverlegung reagiert. Der Wortlaut der Norm sowie die Tatbestandsvoraussetzungen orientieren sich an den allg Normen zur Entstrickungsbesteuerung (s § 4 Abs 1 S 3 EStG, § 12 Abs 1 KStG). Es wird die Aufgabe des Gew fingiert, wenn das Besteuerungsrecht an den WG des Betriebs oder Teilbetriebs "ausgeschlossen" oder "beschr" wird. Tatbestandsvoraussetzung der Entstrickung ist damit nicht das einzelne WG, sondern der Betrieb oder Teilbetrieb als Sachgesamtheit. Da es bei auch bei einer Kö zur Entstrickung eines gesamten Betriebs oder Teilbetriebs kommen kann, findet die Vorschrift des § 16 Abs 3a EStG über § 8 Abs 1 KStG auch auf das KStR Anwendung (aA s Pfirrmann, in Brandis/Heuermann, § 12 KStG Rn 24; s Lampert, in Gosch, 4. Aufl, § 12 KStG Rn 36).
Tz. 640
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Aufgr der Anknüpfung an die Voraussetzungen der allg Entstrickungstatbestände gelten die Ausführungen hierzu weitgehend entspr (s Tz 330ff). Bei wortlautgetreuer Auslegung der Norm dürfte es aber nur sehr wenige Anwendungsfälle geben, da es nicht nur auf den Ausschluss oder die Beschränkung des dt Besteuerungsrechts hinsichtlich der quantitativ und funktional wes Betriebsgrundlagen ankommt, sondern auf den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich sämtlicher WG des Betriebs. Sofern diese Voraussetzungen des § 16 Abs 3a EStG nicht erfüllt sind, bleibt es bei der Anwendung des § 4 Abs 1 S 3 EStG bzw des § 12 Abs 1 KStG. Insges dürfte die Regelung des § 16 Abs 3a EStG im Grundsatz entbehrlich sein, da auch die Änderung der Zuordnung von Sachgesamtheiten unter § 4 Abs 1 S 3 EStG fällt (s BT-Drs. 16/2710, 28, 30). Ihre Bedeutung erlangt sie in KSt-Fällen insoweit insbes dadurch, dass in EU- bzw. hier sogar EWR-Sachverhalten § 36 Abs 5 EStG die Wirkungen der Entstrickung abmildert. § 4g EStG wird insoweit verdrängt. Die Einfügung des § 16 Abs 3a EStG erfolgte im Übrigen offensichtlich mit dem Ziel, die §§ 16 Abs 4, 34 EStG in diesen Fällen wieder zur Anwendung kommen zu lassen; aus kstlicher Sicht ist die Anwendung der §§ 16 Abs 4, 34 EStG jedoch irrelevant. Für natürliche Pers ist zusätzlich zu beachten, dass – infolge der Anwendung des § 16 Abs 3a EStG – ein solcher Aufgabegewinn nicht mehr der GewSt unterliegt.
Tz. 641
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Die Aufgabe eines MU-Anteils bleibt in § 16 Abs 3a EStG ungeregelt. Insoweit würden § 4 Abs 1 S 3 EStG bzw § 12 Abs 1 KStG weiterhin Anwendung finden.