Tz. 92
Stand: EL 109 – ET: 03/2023
Nach Bekanntwerden der BFH-Rspr zur "Infektionstheorie" (s Tz 39–41) gab es in der Besteuerungspraxis zunächst keine Möglichkeit, die rechtliche Umsetzung dieser Rspr zur Verlagerung stiller Reserven bei Kap-Erhöhungen und Gründungen von Kap-Ges und somit die Entstehung von "derivativen" oder "infizierten" einbringungsgeborenen Anteilen zeitnah und rechtlich verbindlich festzustellen. Die Auswirkungen ergaben sich nämlich erst später bei der Realisierung der stillen Reserven in den entreicherten und/oder bereicherten Anteilen. Die FA haben intern organisatorische Maßnahmen ergriffen, die St-Verstrickung von Anteilen festzuhalten (Registrierung der Entstehung und Entwicklung von einbringungsgeborenen Anteilen durch die KSt-Stelle im FA und Schaffung eines Kontrollmitteilungsverfahrens an die Veranlagungsstelle für die AE, zB Sächsisches Staatsministerium der Finanzen v 15.09.1998, DStR 1998, 1753; ebenso hierzu s Urt des BFH v 11.02.1998, BStBl II 1998, 552 unter II. 2. b). Diese Überwachung der Anteile iSd § 21 UmwStG wird durch eine entspr ges Mitteilungspflicht der Notare ergänzt. Die Notare übersenden gem § 54 EStDV dem in § 20 AO bezeichneten FA eine beglaubigte Abschrift aller aufgrund ges Vorschrift aufgenommenen oder beglaubigten Urkunden, die die Gründung, Kap-Erhöhung oder -herabsetzung, Umwandlung oder Auflösung von Kap-Ges oder die Verfügung über Anteile an Kap-Ges zum Gegenstand haben (zum Umfang der Mitteilungspflichten, insbes bei Treuhandverträgen, s Schr des BMF v 14.03.1997, DB 1997, 850).
Mit dem Tag nach Verkündigung des StBereinG 1999 am 30.12.1999 (s Art 28 Abs 2) ist ein neues Feststellungsverfahren für stverstrickte Anteile an Kap-Ges eingeführt worden. Gem § 180 Abs 2 AO wird das BMF ermächtigt, zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung und zur Erleichterung des Besteuerungsverfahrens (mit Zustimmung des B-Rats) durch eine Rechtsanordnung zu bestimmen, dass in anderen als den in § 180 Abs 1 AO genannten Fällen (zB einheitliche und gesonderte Feststellung von Eink) Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden. Dies ist gem § 180 Abs 2 S 3 AO auch für die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zulässig, die sich erst später auswirken. Die Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs 2 der AO (kurz: VO zu § 180 Abs 2 AO) basiert auf dieser Ermächtigungsgrundlage. IRd StBereinG 1999 ist in § 10 VO zu § 180 Abs 2 AO ein gesondertes und (bei mehreren Beteiligten) einheitliches Feststellungsverfahren für stverstrickte Anteile an Kap-Ges (Anteile iSd §§ 17 EStG und 21 UmwStG) eingeführt worden. Festgestellt werden die Ermittlungsgrundlagen, die für die Besteuerung der Substanz der Anteile maßgeblich sind; dh St-Verstrickungsgrad (sowohl der durch Übergang stiller Reserven entreicherten als auch der infizierten Anteile) und die Verteilung der stlich maßgebenden AK, wenn eine Kap-Ges gegründet wird, eine Kap-Erhöhung bei einer Kap-Ges durchgeführt wird oder wenn Anteile unentgeltlich oder teilentgeltlich übertragen werden (s Brinkmeier, GmbH-StB 2000, 57f; s Haritz/Wisniewski, GmbHR 2000, 78; s Patt, EStB 2001, 62; s Müller, in H/H/R, Anh § 21 UmwStG; auch s § 17 EStG Tz 606ff).
Tz. 93
Stand: EL 74 – ET: 04/2012
Für die StPflicht ergeben sich neue Erklärungs- und Wertermittlungspflichten, die mit tats und stlichen Problemen verbunden sind. Anderseits entsteht durch die – im Hinblick auf die Wertermittlung stiller Reserven wichtige – zeitnahe Feststellung von Besteuerungs grundlagen die Schaffung einer Rechts- und Planungssicherheit für Gesellschafter (ggf durch Klärung im Rechtsstreit über den Feststellungsbescheid). Denn die in Rede stehenden Besteuerungsgrundlagen werden häufig erst Jahre oder Jahrzehnte später zB bei Veräußerung der Anteile (ggf erst durch die Rechtsnachfolger, zB Erben) stwirksam. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll das Feststellungsverfahren die Beweisvorsorge erleichtern und die Rechtssicherheit durch zeitnahe Ermittlung der Wertverhältnisse bei stverstrickten Anteilen erhöhen (s BR-Drs 475/99, 45). Es wird kritisiert, dass das Feststellungsverfahren sich nur auf das Überspringen stiller Reserven bei Kap-Erhöhung oder der Gesellschaftsgründung und die teilentgeltliche Übertragung der Anteile bezieht und somit nur eine "Momentaufnahme" der St-Verstrickung und der Erfassung stlich relevanter AK der Anteilen für diesen speziellen Vorgang darstellt (s Haritz/Wisniewski, GmbHR 2000, 78/81). Das Ziel einer Rechtssicherheit wird verfehlt, wenn es später zu nachträglichen AK oder AK-Minderungen und zu weiteren Kap-Erhöhungen kommt, für die kein Feststellungsverfahren durchgeführt wird. Weiterhin wird beanstandet, dass der Regelungsbereich des Feststellungsverfahrens zu kurz greift (s H/B, UmwStG, 2. Aufl, § 21 UmwStG Rn 291), weil es keine Möglichkeit gibt, außerhalb der von § 10 VO zu § 180 Abs 2 AO geregelten Sachverhalte die AK bei Entstehung der einbringungsgeborenen Anteile und die s...