Leitsatz
Erwirbt eine Gemeinde einen Teil der von ihr durch Aufstellung eines Bebauungsplans und Sicherung der Erschließung baureif gemachten Grundflächen, ist der beim Grundstücksveräußerer für die ihm verbleibenden und nunmehr baureifen Teilflächen eintretende Wertzuwachs grundsätzlich keine Gegenleistung der erwerbenden Gemeinde für ihren Grundstückserwerb.
Normenkette
§ 8 Abs. 1 GrEStG , § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Gemeinde, schloss mit mehreren Grundstückseigentümern einen Vorvertrag, in dem sich Letztere verpflichteten, der Klägerin bestimmte Grundstücke zu verkaufen. Die Klägerin beabsichtigte, für die Grundstücke einen Bebauungsplan zu erstellen, die Grundstücke als Bauland auszuweisen und die Erschließung zu sichern. Die Erschließungsflächen sowie 60 % der Bauplätze sollten für 60 DM/qm an die Klägerin verkauft werden.
Nach Abschluss des späteren Kaufvertrags setzte das FA für den Erwerb der Klägerin die GrESt, berechnet nach dem Kaufpreis sowie der Wertsteigerung, die die den Grundstückseigentümern verbliebenen Bauplätze erfahren hatten, fest. Nach erfolgloser Klage legte die Klägerin Revision ein.
Entscheidung
Die Revision hatte Erfolg. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gilt als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung müssen kausal verknüpft sein. Im Streitfall fehlt es an einer derartigen Verknüpfung zwischen dem Grundstückserwerb der Klägerin und dem Wertzuwachs der den Verkäufern verbliebenen Grundflächen.
Die Verkäufer empfangen den Wertzuwachs dieser Flächen nicht als Entgelt für die an die Klägerin veräußerten Flächen. Die Klägerin gewährt den Wertzuwachs nicht aufgrund einer gegenüber den Verkäufern (vertraglich) übernommenen Pflicht zur Baureifmachung. Denn die Befugnis und Pflicht der Klägerin zur Aufstellung von Bauleitplänen erfolgt ausschließlich im öffentlichen Interesse.
Es besteht daher nach § 2 Abs. 3 BauGB kein Rechtsanspruch auf Aufstellung von Bauleitplänen. Ebenso haben die Kommunen eine Verpflichtung zur Erschließung (§ 123 BauGB) nur gegenüber der Allgemeinheit und nicht gegenüber dem einzelnen Bürger.
Hinweis
Die Kommunen können sich im Zusammenhang mit der Aufstellung von Bebauungsplänen auf privatrechtlichem Weg Grundstücke in dem Plangebiet beschaffen, um in Erfüllung gemeindlicher Aufgaben den Wohnbedarf der ortsansässigen Bevölkerung zu decken (BVerwG, Urteil vom 11.2.1993, 4 C 18/91, BVerwGE 92, 56).
Der Umstand, dass Geschäftsgrundlage derartiger Verträge häufig die Baureifmachung und die damit verbundene Wertsteigerung der Grundstücke des Veräußerers ist, ändert nichts an dem von der Kommune verfolgten öffentlichen Interesse. Die Wahrnehmung dieses öffentlichen Interesses schließt es aus, der Wertsteigerung einen Gegenleistungscharakter beizumessen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.10.2004, II R 22/03