Die Finanzverwaltung vertrat unter der Geltung des § 2 Abs. 3 UStG die Auffassung, dass die Erfüllung hoheitlicher Tätigkeiten durch eine jPöR für eine andere jPöR gegen Entgelt (sog. Beistandsleistung) einen Betrieb gewerblicher Art nicht begründet. Entscheidend für die steuerliche Beurteilung sei der Charakter der jeweiligen Tätigkeit. Es sei darauf abzustellen, ob die Tätigkeit, würde sie von der jPöR selbst ausgeübt, als hoheitliche Tätigkeit oder zumindest als hoheitliche Teilaufgabe oder hoheitliches Hilfsgeschäft zu behandeln wäre. Der hoheitliche Charakter der Tätigkeit bleibe auch bei der übernehmenden jPöR erhalten. Dem hat der BFH bekanntlich im Urteil vom 10.11.2011 eine klare Absage erteilt für den Fall, dass die Leistung entweder auf zivilrechtlicher Grundlage oder zwar auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, aber im Wettbewerb zu Privaten erbracht wird.
Der Gesetzgeber hat nun versucht, mit § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG die Nichtsteuerbarkeit von Beistandsleistungen, sofern sie auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbracht werden, durch gesetzliche Regelung herbeizuführen. Er bestimmte, dass bei Leistungen zwischen jPöR größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vorliegen sollen, wenn die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt werde, und definierte vier Voraussetzungen, bei deren kumulativem Vorliegen dies der Fall sein solle. Würde die Beistandsleistung dagegen auf privatrechtlicher Grundlage ausgeführt, wäre sie umsatzsteuerbar.
Von Anfang an wurden Zweifel an der Unionsrechtskonformität von § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG vorgetragen. Bedenken hat auch die EU-Kommission in einem sog. Pilotverfahren, der Vorstufe zu einem Vertragsverletzungsverfahren, geäußert. Das BMF hat daraufhin die europarechtlichen Anforderungen an die Auslegung der Regelung mit der EU-Kommission diskutiert und – entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut – klargestellt (sic!), dass es sich bei § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG nur um ein widerlegbares Regelbeispiel handeln soll. Sind dessen Voraussetzungen gegeben, besteht zwar die Vermutung, dass keine größeren Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten privater Dritter bestehen. Für sich genommen kann die Norm aber eine Wettbewerbsverzerrung nicht ausschließen. Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist daher stets, auch wenn die Voraussetzungen des Regelbeispiels gegeben sind, eine zusätzliche Wettbewerbsprüfung i.S.v. § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG unter Berücksichtigung der Ausführungen im BMF-Schr. v. 16.12.2016, Rz. 22 ff., vorzunehmen.
Das Ergebnis dieser Prüfung kennt der Rechtsanwender allerdings bereits, wenn er in die Prüfung nach Abs. 3 Nr. 2 einsteigt. Denn wäre nach § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG die Wettbewerbsrelevanz der Tätigkeit verneint worden, würde diese als nichtunternehmerisch angesehen werden, was jede weitere Prüfung überflüssig gemacht hätte. Die Prüfung nach § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG kommt überhaupt nur zur Anwendung, wenn im ersten Prüfungsschritt nach § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG die Möglichkeit größerer Wettbewerbsverzerrungen bejaht wird. Werden diese dann aber bei Anwendung der Kriterien des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG verneint, wird dieses Resultat durch den Rückgriff auf § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG wieder ausgehebelt.
Rust weist daher zu Recht darauf hin, dass damit § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG jedweder Anwendungsbereich entzogen wurde. Das sieht auch das LfSt Niedersachsen (a.a.O.) so, und ordnet an, dass die Prüfung des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG künftig unterbleiben könne.
Rust weist – ebenfalls zu Recht – weiter darauf hin, dass eine Gesetzesauslegung durch die Finanzverwaltung nicht dazu führen könne, dass sie dem Gesetz die Wirkung nimmt. Eine mögliche fehlende Unionsrechtskonformität müsse der Gesetzgeber selbst reparieren. Er möchte daher die Anwendung des BMF-Schreibens, sofern die Voraussetzungen des § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG vorliegen, auf Fälle "evidenter" – also nicht nur "nicht unbedeutender" oder "größerer" – Wettbewerbsverzerrungen beschränken.