I. Vorgeschichte

 

Rz. 399

[Autor/Stand] Der Beschluss des BVerfG v. 7.11.2006[2] nahm – entsprechend der dem BVerfG im Beschluss des BFH v. 22.5.2002[3] vorgelegten Frage zur Verfassungsmäßigkeit des ErbStG i.d.F. des JStG 1997[4] i.V.m. den dort in Bezug genommenen Vorschriften des BewG a.F. – lediglich zur Bewertung für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke Stellung.

Deshalb ergriff der Gesetzgeber des ErbStRG 2009 v. 24.12.2008[5] ungeachtet des im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der anachronistischen Einheitswerte auf der Basis der Wertverhältnisse auf den 1.1.1964 bzw. – in den neuen Bundesländern – auf den 1.1.1935 bestehenden dringenden Reformbedarfs leider keinerlei Maßnahmen, um auch die (Einheits-)Bewertung für Zwecke der Grundsteuer grundlegend neu zu gestalten.

 

Rz. 400

[Autor/Stand] Der Gesetzgeber wurde zu dieser Abstinenz zweifelsohne auch durch die bis zum Erlass des ErbStRG 2009 bestehende ständige Rechtsprechung des BFH "ermuntert", welche die insoweit einschlägigen bewertungsrechtlichen Vorschriften – trotz angedeuteter Bedenken – lange für verfassungsgemäß hielt.[7]

 

Rz. 401

[Autor/Stand] Zwischenzeitlich schien aber auch dem BFH angesichts der Lethargie des Gesetzgebers "der Geduldsfaden zu reißen": In zwei als "Appellentscheidungen" zu wertenden Urteilen v. 30.6.2010 – II R 60/08[9] und II R 12/09[10] entschied der II. Senat des BFH zwar, dass die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens trotz der verfassungsrechtlichen Zweifel, die sich aus den lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkten des 1.1.1964 bzw. – im Beitrittsgebiet – des 1.1.1935 und den darauf beruhenden Wertverzerrungen ergäben, jedenfalls für Stichtage bis zum 1.1.2007 noch verfassungsgemäß seien. Diese Aussage und die angeführten Gründe ließen sich aber schwerlich anders interpretieren, als dass der BFH für danach liegende Stichtage die immer größer werdenden Wertverzerrungen nicht mehr hinzunehmen gewillt sei.[11]

 

Rz. 402

[Autor/Stand] Im Einzelnen führte der BFH nämlich in diesen Entscheidungen aus, der Senat weise darauf hin, dass das weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, insb. mit Art. 3 Abs. 1 GG, nicht mehr vereinbar sei. Das System der Hauptfeststellungen auf einen bestimmten Stichtag sei darauf angelegt, dass die Hauptfeststellungen in bestimmten, nicht übermäßig langen Abständen stattfänden (vgl. § 21 Abs. 1 BewG: Hauptfeststellungen in Zeitabständen von je sechs Jahren). Die Festschreibung der Wertverhältnisse auf den Hauptfeststellungszeitpunkt sei nur sachgerecht und aus verfassungsrechtlicher Sicht hinnehmbar, wenn der Hauptfeststellungszeitraum eine angemessene Dauer nicht überschreite.[13]

 

Rz. 403

[Autor/Stand] Das BVerfG habe im Beschluss v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02[15] die durch § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG a.F. für die Bedarfsbewertung der Grundstücke angeordnete, bis Ende 2006 geltende Festschreibung der Wertverhältnisse auf den 1.1.1996 als nicht mehr mit den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar angesehen. Der Gesetzgeber habe damit den aus dem Gleichheitssatz folgenden verfassungsrechtlichen Auftrag verfehlt, die Vermögensgegenstände mit Gegenwartswerten zu erfassen oder vergangenheitsbezogene Werte entwicklungsbegleitend fortzuschreiben, um eine in der Relation der Vermögenswerte realitätsgerechte Bewertung sicherzustellen. Hiernach verfehle erst recht die über mehrere Jahrzehnte unveränderte Einheitsbewertung des Grundbesitzes nach Maßgabe des Hauptfeststellungszeitpunkts auf den 1.1.1964 bzw. 1.1.1935 die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen.[16]

 

Rz. 404– 409

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge