Leitsatz
Bezieht der Steuerpflichtige aufgrund eines Rentenversicherungsvertrags gegen Einmalbeitrag auf Lebenszeit sowohl eine garantierte "Grundrente" als auch eine nicht garantierte "Bonusrente aus der Überschussbeteiligung", so sind beide Bestandteile der wiederkehrenden Bezüge einheitlich zu beurteilen und trotz der durch die fehlende Gleichmäßigkeit der Leistungen bedingten Nichterfüllung des Leibrentenbegriffs lediglich mit ihrem Ertrags- bzw. Zinsanteil der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 1 Sätze 1 und 3 EStG
Sachverhalt
Der 1942 geborene Kläger erwarb Ende 1992 gegen Einmalbeitrag von 200.000 DM eine sofort beginnende lebenslängliche Leibrente, die aus einer monatlichen Grundrente von 874,75 DM und einer monatlichen Überschussbeteiligung (Bonusrente) von zunächst 436,92 DM bestand. Der Kläger nahm zur Finanzierung des Einmalbeitrags ein Bankdarlehen (Darlehen I) auf, das mit 9 % zu verzinsen und nach 12 Jahren in einer Summe zurückzuzahlen war. Die Zinsen für die gesamte Laufzeit des Darlehens I zahlte der Kläger im Voraus, wobei er zur Finanzierung dieser Zinsvorauszahlung ein weiteres, mit 8,75 % zu verzinsendes und nach 6 Jahren rückzahlbares Bankdarlehen (Darlehen II) i.H.v. 139.235 DM aufnahm.
Den vom Kläger für das Streitjahr 1992 im Zusammenhang mit diesen Renteneinkünften geltend gemachten Werbungskostenüberschuss i.H.v. 143.235 DM erkannte das FA wegen fehlender Überschusserzielungsabsicht des Klägers nicht an. Die dagegen gerichtete Klage hatte zwar vor dem FG Erfolg (vgl. EFG 2006, 741). Auf die Revision des FA wies jedoch der BFH die Klage ab.
Entscheidung
Das FG habe die im Rahmen der von ihm getroffenen Überschussprognose berücksichtigten voraussichtlichen steuerpflichtigen Renteneinnahmen zu hoch angesetzt. Ihm könne nicht darin beigepflichtet werden, dass nur die Grundrente mit dem Ertragsanteil (lt. Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG), die "Bonusrente" dagegen in voller Höhe der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen sei. Beide Rentenkomponenten seien – zwecks Vermeidung einer verfassungswidrigen Überbesteuerung – lediglich mit ihrem Zins- bzw. Ertragsanteil zu erfassen mit der Folge, dass der Kläger aus dem Rentenengagement voraussichtlich keinen Totalüberschuss erzielen könne.
Hinweis
Das FG war im Rahmen der zwecks Ermittlung der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers gestellten Überschussprognose nur deshalb zu einem Totalüberschuss der steuerpflichtigen Renteneinnahmen über die Werbungskosten gelangt, weil es die voraussichtlichen Zahlungen aus der "Grundrente" und aus der "Bonusrente" getrennt beurteilte und nur die "Grundrente" mit dem Ertragsanteil (hier lt. Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG) berücksichtigte, wohingegen es die "Bonusrente" in vollem Umfang für einkommensteuerpflichtig hielt.
Dieser Sichtweise (ebenso schon Niedersächs. FG, Urteil vom 16.4.1996, XV 42/93, EFG 1996, 978) widersprach der BFH im Anschluss an die h.M. (vgl. z.B. Horlemann, FR 1998, 466, 467; BMF, Schreiben vom 26.11.1998, IV C 3 – S 2255 – 35/98, BStBl I 1998, 1508). Er wies zunächst darauf hin, dass beide Rentenbestandteile nur mit ihrem vom nichtsteuerbaren Kapitalrückzahlungsanteil zu sondernden Zins- bzw. Ertragsanteil zu besteuern seien.
Der in der Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG zugrunde gelegte Rechnungszinsfuß betrage 5,5 %. Allein mit dem Ansatz der Garantiezinsen von im Streitjahr 1992 3,5 % (vgl. Dötsch in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rz. H 18) sei ein solcher Ertrag nicht zu erzielen gewesen.
Bei der vom FG befürworteten vollen Heranziehung der Überschussanteile unterläge daher auch ein Teil der Kapitalrückzahlung der Besteuerung, was allerdings der verfassungskonform einzugrenzenden Grundaussage des § 2 Abs. 2 EStG widerspräche.
Welcher Einkunftsart der steuerpflichtige Teil der einheitlich zu beurteilenden Rentenzahlungen unterfällt, d.h. den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder den sonstigen Einkünften i.S.v. § 22 Nr. 1 EStG, konnte der BFH im vorliegenden Fall ebenso dahinstehen lassen wie die weitere Frage, wie der Zins- bzw. Ertragsanteil im Einzelnen zu berechnen ist (entsprechende Anwendung der Ertragsanteilstabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG oder nach der finanz- bzw. versicherungsmathematischen Methode?).
Denn nach keiner der denkbaren Lösungsansätze ließ sich ein Totalüberschuss der voraussichtlichen steuerpflichtigen Renteneinnahmen über die mutmaßlichen Werbungskosten prognostizieren.
In den Revisionsverfahren X R 34/04 und X R 13/04 wird der BFH die Gelegenheit haben, diese offen gelassenen Fragen zu beantworten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.6.2006, X R 3/06