Leitsatz
Eine die Haftsumme übersteigende Pflichteinlage -- also auch ein Agio, das vereinbarungsgemäß den Kapitalanteil des Kommanditisten mehren und der Stärkung des Eigenkapitals der Gesellschaft dienen soll -- steht als "Polster" für haftungsunschädliche Entnahmen nicht zur Verfügung, wenn sie durch Verluste verbraucht ist. Das hat für die Gewinnzurechnung wegen Einlageminderung nach § 15a Abs. 3 EStG zur Folge, dass bei Bestehen eines negativen Kapitalkontos eine Entnahme auch insoweit, als sie die Differenz zwischen Haftsumme und überschießender Pflichteinlage nicht überschreitet, zum Wiederaufleben der nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigenden Haftung führt und mithin eine Zurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG zu unterbleiben hat.
Normenkette
§ 15a Abs. 1 und 3 EStG, § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB
Sachverhalt
Eine Schiffs-Fonds GmbH & Co. KG führte für Ihre Kommanditisten ein Kapitalkonto II, auf dem ein Agio der Gesellschafter, das diese beim Eintritt zusätzlich zu der Hafteinlage entrichten mussten, erfasst wurde. Außerdem gab es ein Ergebnisvortragskonto sowie ein Entnahmekonto. Seit Gründung der Gesellschaft waren Verluste entstanden, die die Hafteinlagen der Kommanditisten überschritten. Im Streitjahr ergab sich erneut ein Verlust. Außerdem buchte die KG die für Kapitalerträge angefallene Kapitalertragsteuer anteilig auf den Entnahmekonten der Gesellschafter.
Das FA behandelte die Buchung der Kapitalertragsteuer als Einlageminderung i.S.d. § 15a Abs. 3 EStG und erhöhte in der entsprechenden Höhe die verrechenbaren Verluste. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg (EFG 2007, 1760).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA zurück. Die Einlageminderung führe nicht zur Entstehung verrechenbarer Verluste, weil durch die Entnahmen die Haftung der Kommanditisten wieder aufgelebt sei. Sei das Kapitalkonto negativ, führe auch eine Entnahme unterhalb des Betrags, um den die Pflichteinlage die Haftsumme übersteige, immer zum Wiederaufleben der Haftung.
Hinweis
1. Die Nutzung von Verlustanteilen eines Kommanditisten ist nach § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG in erster Linie an die Leistung seiner Einlage geknüpft. Nach Erschöpfung der Einlage durch Verlustanteile erhält der Kommanditist keine ausgleichsfähigen Verluste, sondern nur noch mit künftigen Gewinnanteilen verrechenbare Verluste zugewiesen.
Um sicherzustellen, dass Einlagen nicht (missbräuchlich) nur zur Nutzung der Verluste geleistet und anschließend wieder abgezogen werden, bestimmt § 15a Abs. 3 EStG, dass im Fall einer Einlageminderung der insoweit bereits genutzte Verlust wieder rückgängig gemacht wird. Es kommt dann zu einer "Umpolung" der Verluste in verrechenbare Verluste. Der Gesellschafter steht sich dann etwa so, als wenn er die Einlage nie geleistet hätte. Hierzu kommt es aber nicht, soweit durch die Einlageminderung die handelsrechtliche Haftung nach § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB wieder auflebt. Denn der Kommanditist hätte in dieser Höhe ja auch ohne Einlage nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ausgleichsfähige Verluste zugewiesen erhalten.
2. Das Urteil betrifft nun die Sondersituation, dass der Kommanditist nicht nur seine Hafteinlage, sondern einen darüber hinausgehenden Betrag in das Gesellschaftsvermögen leisten muss. Zum Verlustausgleich steht auch eine solche die Haftsumme übersteigende "bedungene" Einlage zur Verfügung. Entnimmt der Kommanditist, nachdem er Verluste auch in Höhe dieses Differenzbetrags genutzt hat, muss für die Anwendung des § 15a Abs. 3 EStG geklärt werden, ob die Entnahme zum Wiederaufleben der handelsrechtlichen Haftung führt.
Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, welche "Verwendungsreihenfolge" für solche Entnahmen gilt. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, es werde zunächst einmal der über die Hafteinlage hinausgehende Betrag entnommen. Nur soweit die Entnahme diesen Betrag übersteige, komme es zum Wiederaufleben der Haftung. Die zivilrechtliche Rechtsprechung unterscheidet danach, ob der überschießende Betrag den Gesellschaftsgläubigern noch zur Verfügung steht oder ob er zur Abdeckung von Kosten bereits verwertet ist.
Der BFH brauchte sich im Besprechungsfall nicht zu entscheiden. Denn dort überstiegen die bisherigen Verlustanteile bereits die gesamte im Innenverhältnis zu leistende Einlage. In dieser Situation führt eine Entnahme jedenfalls zum Wiederaufleben der Haftung. Das ist aus steuerlicher Sicht günstig, denn es bleibt bei der Verwertbarkeit der bereits genutzten Verluste.
Handelsrechtlich haftet der Kommanditist nun allerdings wieder persönlich für den betreffenden Betrag. Dies wird einen Gesellschafter überraschen, wenn er sich einer Entnahme nicht bewusst ist. Für eine durch Entrichtung von Kapitalertragsteuer entstehende Entnahme wird das Problembewusstsein häufig fehlen. Kommt es später etwa zur Insolvenz, sieht sich der Gesellschafter unversehens entsprechenden Ansprüchen des Insolvenzverwalters gegenüber.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 06.03.2008, IV R 35/07