Im österreichischen Verlassenschaftsverfahren bedarf es im ersten Schritt einer Erbantrittserklärung der potentiellen Erben und anschließend der gerichtlichen Einantwortung, d.h. "die Übergabe in den rechtlichen Besitz". Die gerichtliche Einantwortung hat daher konstitutive Bedeutung für den Erwerb der Erbschaft, vgl. § 797 ABGB (Haunschmidt in Süß, Erbrecht in Europa, S. 976 Rz. 93).
Bis zur gerichtlichen Einantwortung ruht der Nachlass (sog. hereditas iacens) und stellt eine eigene Rechtsperson dar (§ 546 ABGB: "Mit dem Tod setzt die Verlassenschaft als juristische Person die Rechtsposition des Verstorbenen fort."), die Trägerin von Rechten und Verbindlichkeiten des Erblassers ist (Solomon in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, Länderbericht Österreich Rz. 127, 153). Mit Rechtskraft des gerichtlichen Einantwortungsbeschlusses tritt die Universalsukzession ein (Haunschmidt in Süß, Erbrecht in Europa, S. 987 Rz. 157; Solomon in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, Länderbericht Österreich Rz. 181; Weber in Dutta/Weber, Internationales Erbrecht, 2. Aufl. 2021, Art. 39 EuErbVO Rz. 30). Die gerichtliche Einantwortung wirkt jedoch nicht auf den Zeitpunkt des Todes zurück (Wachter, ErbR 2020, 18, 22; Haunschmidt in Süß, Erbrecht in Europa, S. 960 Rz. 93).
Da es jedoch, wie oben gezeigt, nicht auf die Rückwirkung ankommt, müsste auch hier die Erbschaftsteuer mit dem Tode des Erblassers entstehen. Die Erbantrittserklärung sowie die Einantwortung sind als gesetzliche Bedingungen keine Bedingung i.S.d. § 158 BGB, so dass kein aufschiebend bedingter Erwerb vorliegt.
Dagegen spricht jedoch, dass der bis zur Einantwortung ruhende Nachlass selbst rechtsfähig ist, § 546 ABGB. Dieser Nachlass gehört sich selbst. Die Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben findet erst mit der formellen Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses statt; mit dem Nachlass selbst als unmittelbarem Rechtsvorgänger, nicht dem Erblasser (vgl. Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 2, Rz. 12.114).
Ähnlichkeit besteht insoweit mit den Nachlasstrusts nach anglo-amerikanischem Recht. Auch hier ist der Rechtsvorgänger nicht der Erblasser, sondern der Trust. Hierbei handelt es sich nach Ansicht des BFH regelmäßig um einen aufschiebend bedingten Erwerb, so dass die Erbschaftsteuer erst mit der Beendigung des Trusts entsteht (BFH v. 20.12.1957 – III 250/56, NJW 1958, 766; BFH v. 31.5.1961 – II 284/58, BeckRS 1961, 21005925; BFH v. 7.5.1986 – II R 137/79, BFHE 147, 70 = BStBl. II 1986, 615; BFH v. 7.6.1989 – II B 4/89, BeckRS 1989, 5953).
Beraterhinweis Der Gesetzgeber hat für diese Fälle die Spezialvorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. c ErbStG geschaffen, nach der die Erbschaftsteuer dann mit dem Übergang des Vermögens auf den trustee entsteht. Dies gilt für die vermögensverwaltende Version des trusts, den sog. Nachlasstrust. Das Pendel kann in die andere Richtung ausschlagen, wenn der administrator bzw. executor lediglich die Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen und den dann unbelasteten trust an den beneficiary auszukehren hat. In diesem Fall ist eine Vergleichbarkeit zum deutschen Testament gegeben und die Regelung kann wieder unter § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG fallen, vgl. BFH v. 8.6.1988 – II R 243/82, BFHE 153, 422 = BStBl. II 1988, 808.
Allerdings hat das OLG München (OLG München v. 5.12.2008 – 33 Wx 266/08, ZEV 2009, 196) entschieden, dass der Erbe, der die Erbschaft nach österreichischem Recht angenommen habe, auch wenn er vor der Einantwortung noch nicht Eigentümer geworden sei, dennoch nach § 810 ABGB nutzungs- und vertretungsberechtigt hinsichtlich des Nachlasses sei und damit ein Anwartschaftsrecht erworben habe, denn seine Verfügungen beeinflussten die Erbmasse, die mit der Einantwortung in das Eigentum des Erben übergehen. Hierüber ist dem Erben auch eine Amtsbestätigung gem. § 172 AußStrG auszustellen. Insoweit ist der hereditas iacens nach österreichischem Recht doch nicht vergleichbar mit einem Nachlasstrust, bei dem der trustee, nicht der beneficiary, das Vermögen verwaltet.
Hierfür spricht auch eine Entscheidung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes (öst. VGH v. 24.6.1982 – 81/15/0119) zum (damaligen) § 12 Abs. 1 Nr. 1. österr. ErbStG, der wortlautidentisch mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG war; auch dort stellte sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Erbschaftsteuer entsteht, wenn der zivilrechtliche Erwerb die Erbantrittserklärung und die Einantwortung voraussetzen. Das Gericht entschied:
"Das erworbene Vermögen gilt erbschaftsteuerrechtlich dem Erben bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers als zugekommen (s. Erk. des VGH v. 26.6.1957, Slg. Nr. 1669/F). Ab diesem Zeitpunkt ist der Erbe bereits als Erwerber des gesamten Nachlasses anzusehen. Das bedeutet aber, daß es für die steuerliche Behandlung nicht auf die Einantwortung und die nachfolgenden, für die Erwerbung des Eigentums erforderlichen Rechtsakte ankommt, diese also für Zwecke der Erbschaftsteuer unbeachtlich sind (s. Erk. des VGH v. 11.11.1965, Slg. Nr. 3356/F)".
Die Erbsc...