1. Sachverhalt
Der Erblasser war italienischer Staatsangehöriger, der mit letztem Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Italien verstarb. Die Klägerin war zu 1/3 Miterbin geworden und lebte zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers in Deutschland. Sie verzog noch vor Annahme der Erbschaft, welche nach italienischem Erbrecht für die Erlangung der Erbenstellung erforderlich ist, nach Italien. Die Annahme erfolgte dort in einem mehraktigen Verfahren. Nach italienischem Erbrecht wirkt die Annahme auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers zurück, Art. 459 Satz 2 Codice Civile.
Aufgrund ihres Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthaltes zum Zeitpunkt des Todes in Deutschland nahm das FA die persönliche unbeschränkte Steuerpflicht der Klägerin an, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 Satz 2 lit. a ErbStG.
Deshalb stellte sich erbschaftsteuerlich die Frage, welcher Zeitpunkt für die Besteuerung gem. § 9 ErbStG maßgeblich ist – der Zeitpunkt des Todes (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) oder der Zeitpunkt der nach italienischem Recht erforderlichen Annahme der Erbschaft. Die Klägerin vertrat hierbei die Auffassung, dass sie die Erbschaft aufschiebend bedingt auf die Annahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG erworben habe und zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Deutschland steuerpflichtig gewesen sei.
2. Argumentation des BFH
a) Universalsukzession – Vergleichbarkeit mit deutschem Recht
Der BFH hat noch einmal unter Bezugnahme auf seine frühere Rspr. klargestellt, dass auch Erbfälle, die zivilrechtlich nicht dem deutschen Recht unterliegen, in Deutschland erbschaftsteuerpflichtig sein können:
"Vollzieht sich ein Erwerb von Todes wegen nach ausländischem Zivilrecht, kann er im Inland der Erbschaftsteuer unterliegen, soweit der Vermögensanfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einem durch das ErbStG erfassten Erwerb gleichkommt." (BFH v. 17.11.2021 – II R 39/19 Rz. 15 und BFH v. 4.7.2012 – II R 38/10, Rz. 20 bis 23, ErbStB 2012, 296 [Esskandari/Bick]).
Das italienische Erbrecht sei insoweit mit dem deutschen Erbrecht vergleichbar. Im italienischen Recht stehe der Erbanfall zwar unter der Bedingung der Annahme, so dass der Erwerb im italienischen Erbrecht nicht allein ipso iure stattfinden könne. Die Annahme bewirke jedoch auch keinen Erwerb allein kraft Rechtsgeschäft. Vielmehr stelle sie nur ein neben andere Erwerbsvoraussetzungen tretendes rechtsgeschäftliches Element dar.
b) Kein bedingter Erwerb
Die Annahmeerklärung als Erwerbsvoraussetzung stellt jedoch nach dem BFH keine echte Bedingung i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG dar. Ein bedingter Erwerb liege daher nicht vor. Vorliegend müsse sorgsam zwischen echten Bedingungen i.S.v. § 158 BGB auf der einen Seite und lediglich mehraktigen Erwerbstatbeständen auf der anderen Seite unterschieden werden. Bei einer echten Bedingung im deutschen Sinne gebe es keine Rückwirkung. Eine echte Bedingung entfalte ihre Rechtswirkung ex nunc, d.h. ab dem Eintritt der Bedingung. Im italienischen Erbrecht wirke die Annahme jedoch zurück auf den Todeszeitpunkt, mithin ex tunc (Art. 456, 459 Codice Civile).
Wenn nun die Bedingung für den Erwerb im ausländischen Recht zurückwirke, sei der Erwerb ein solcher i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und nicht i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG. Die Erbschaftsteuer entstehe mithin mit dem Tode des Erblassers und nicht zum Zeitpunkt der Annahmeerklärung. Dass vor der Annahme ein Schwebezustand bestehe, führe ausdrücklich nicht zu einer Vergleichbarkeit mit einer echten Bedingung. Schließlich sei der Erbanfall auch im deutschen Erbrecht nicht in Stein gemeißelt, sondern noch durch Ausschlagung veränderbar und deshalb in der Schwebe. Es komme ausschließlich auf die Rechtswirkungen und deren Vergleichbarkeit an (BFH v. 17.11.2021 – II 39/19 Rz. 28).
3. Stellungnahme
Der Entscheidung des BFH ist im Ergebnis zuzustimmen. Zwar erfolgt der Erbanfall nach italienischem Recht nicht ipso iure, sondern bedarf der Annahmeerklärung durch den Erben. Dies schließt jedoch nicht die Vergleichbarkeit mit einem Erwerb von Todes wegen nach deutschem Recht aus. Entscheidend ist, dass mit dem Tod einer natürlichen Person deren Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen oder mehrere Erben übergeht. Auf die Details kommt es nicht an (mehrfach in der Rspr. des BFH so ausdrücklich erklärt, vgl. BFH v. 17.11.2021 – II R 39/19). So ist auch ein mehraktiger Erwerbstatbestand mit dem deutschen Rechtsinstitut nach § 1922 BGB vergleichbar.
Die nach italienischem Erbrecht erforderliche Annahmeerklärung sei – so der BFH – keine Bedingung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG, weil eine solche Bedingung nach der Rspr. des BGH keine Rückwirkung haben kann und die italienische Annahmeerklärung nach den Feststellungen des FG, die für den BFH bindend und revisionsrechtlich nicht zu beanstanden seien (für den BFH als Revisionsgericht, vgl. BFH v. 17.11.2021 – II 39/19, mit Verweis auf §§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 560 ZPO), Rückwirkung entfalte.
a) Rechtsbedingungen sind keine Bedingungen i.S.v. § 158 BGB
Der BFH hat wiederholt klargestellt, dass der Begriff der Bedingung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ErbStG an den zivilrechtlichen Begriff der Bedingung nach § 158 BGB anknüpft (BFH v. 17.11.2021 – II 39/19 Rz. 1...