Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Die gesetzlichen Regelungen zur Berechnung einer Steuer sind im Erbfall weitgehend mit denen bei der Schenkung identisch. Es gibt aber Ausnahmen, z. B., dass bei Schenkungen die Freibeträge alle 10 Jahre wieder in Anspruch genommen werden können oder dass im Erbfall ein Pauschbetrag gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG für die anfallenden Erbfallkosten i. H. v. 10.300 EUR für die Bestattung, Verteilung des Nachlasses usw. gewährt wird.
5.1 Steuerklassen und Freibeträge
Entscheidend für die steuerliche Beurteilung ist die Einstufung des Erwerbers in eine Steuerklasse. Dies ist abhängig von dem individuellen Naheverhältnis. Die Einordnung in die verschiedenen Steuerklassen ist über § 15 ErbStG geregelt, die persönlichen Freibeträge ergeben sich aus § 16 ErbStG.
Steuerklasse und persönlicher Freibetrag
Steuerklasse |
Personenkreis |
Freibetrag (seit 2009) |
I |
Ehegatte und Lebenspartner |
500.000 EUR |
Kinder, Stiefkinder, Kinder verstorbener Kinder und Stiefkinder |
400.000 EUR |
Enkelkinder |
200.000 EUR |
|
Eltern und Großeltern bei Erbschaften |
100.000 EUR |
II |
Eltern und Großeltern bei Schenkungen Geschwister Neffen und Nichten Stiefeltern, Schwiegereltern Geschiedene Ehegatten und Lebenspartner einer aufgehobenen Lebenspartnerschaft |
20.000 EUR |
III |
alle übrigen Beschenkten und Erwerber (z. B. Tanten, Onkel, nicht verwandte Personen); Zweckzuwendungen |
20.000 EUR |
Freibetrag bei beschränkter Steuerpflicht
Bei beschränkter Steuerpflicht wird ein Freibetrag nach § 16 Abs. 2 ErbStG in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsverhältnis wie bei unbeschränkter Steuerpflicht gewährt. Es kommt aber zu einer anteiligen Kürzung im Verhältnis zu dem nicht der inländischen Besteuerung unterliegen Vermögen.
5.2 Besonderer Versorgungsfreibetrag
Zusätzlich werden – nur im Fall eines Erwerbs von Todes wegen – zur Berücksichtigung der besonderen Versorgung der Hinterbliebenen für den Ehegatten, den Lebenspartner und den unterhaltspflichtigen Kindern sog. besondere Versorgungsfreibeträge gewährt.
Besonderer Versorgungsfreibetrag
Steuerklasse |
Personenkreis |
Freibetrag |
I |
Ehegatte und Lebenspartner |
256.000 EUR |
I |
Kinder und Stiefkinder |
|
- bis 5 Jahre |
|
52.000 EUR |
- mehr als 5 bis 10 Jahre |
|
41.000 EUR |
- mehr als 10 bis 15 Jahre |
|
30.700 EUR |
- mehr als 15 bis 20 Jahre |
|
20.500 EUR |
- mehr als 20 bis 27 Jahre |
(vollendet) |
10.300 EUR |
Die besonderen Versorgungsfreibeträge werden gekürzt, wenn dem Erwerber durch den Tod des Verstorbenen Versorgungsbezüge zustehen, die nicht der Besteuerung unterliegen, insbesondere gesetzliche Rentenansprüche. Der Kapitalwert dieser anderen Versorgungsansprüche kürzt den jeweiligen Versorgungsfreibetrag. Der Kapitalwert der abzuziehenden Versorgungsbezüge ermittelt sich nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften des § 13 BewG (bei auf bestimmte Zeit laufenden Versorgungsrenten) oder des § 14 BewG (bei lebenslangen Versorgungsrenten).
Minderung des besonderen Versorgungsfreibetrags durch Versorgungsrenten
Erblasser E ist verstorben. Seine Witwe, die das 68. Lebensjahr vollendet hat, erhält eine lebenslange Witwenrente i. H. v. 1.000 EUR monatlich.
Der Witwe steht nach § 17 Abs. 1 ErbStG ein besonderer Versorgungsfreibetrag i. H. v. 256.000 EUR zu. Dieser Versorgungsfreibetrag wird jedoch um den nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Kapitalwert der Witwenrente gekürzt. Die Kürzung berechnet sich nach § 14 Abs. 1 BewG mit dem Jahreswert (12.000 EUR) und dem Vervielfältiger, der jährlich vom BMF veröffentlicht wird. Für 2023 ergibt sich für eine 68jährige Frau ein Vervielfältiger von 11,788. Der Versorgungsfreibetrag wird damit um (12.000 EUR x 11,788 =) 141.456 EUR gekürzt. Damit ist noch ein Versorgungsfreibetrag i. H. v. (256.000 EUR ./. 141.456 EUR =) 114.544 EUR bei der Erbschaftsteuerberechnung abzugsfähig.
5.3 Sachliche Freibeträge
Neben den persönlichen Freibeträgen sind in § 13 ErbStG sachliche Freibeträge enthalten, die für einzelne begünstigte Wirtschaftsgüter in Abhängigkeit zur Steuerklasse gewährt werden.
Sachliche Freibeträge
Vorschrift |
Begünstigung |
Freibetrag (seit 2009) |
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG |
Hausrat (einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke) durch Personen der Steuerklasse I |
41.000 EUR |
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG |
Andere bewegliche körperliche Gegenstände – soweit nicht befreit – durch Personen der Steuerklasse I |
12.000 EUR |
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ErbStG |
Hausrat (einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke) und andere bewegliche körperliche Gegenstände – soweit nicht befreit – durch Personen der Steuerklassen II und III |
12.000 EUR |
§ 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG |
Steuerpflichtiger Erwerb, der bei Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist ("Pflegepauschbetrag") |
20.000 EUR |
5.4 Steuersatz
In Abhängigkeit der Steuerklasse und des Werts des steuerpflichtigen Erwerbs ergibt sich der individuelle Steuersatz nach §...