OFD Frankfurt, Verfügung v. 27.9.2002, S 2285 A - 37 - St II 25
Nach § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG vermindern sich die Ausbildungsfreibeträge bzw. ab Veranlagungszeitraum 2002 der Freibetrag zur Abgeltung des Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindenden, auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes um die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, soweit diese 3.600 DM (1.848 EUR) im Kalenderjahr übersteigen, sowie um die von dem Kind als Ausbildungshilfe aus öffentlichen Mitteln oder von Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche Mittel erhalten, bezogenen Zuschüsse.
§ 33a Abs. 2 EStG hat die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belastungen, die durch die Berufsausbildung von Kindern erwachsen, zum Ziel und dient somit der Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern (BFH vom 17.10.2001, III R 3/01).
1. Nach st. Rspr. des BFH kommt es in Bezug auf Ausbildungshilfen aus öffentlichen Kassen grundsätzlich zu einer Vollanrechnung auf die Freibeträge. Dies korrespondiert mit der bürgerlich-rechtlichen Pflicht der Eltern nach § 1610 Abs. 1 und 2 BGB, im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit für alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Berufsausbildung anfallen, aufzukommen, also auch für Sonderbedarf, sofern dieser nach dem Ausbildungsgang notwendigerweise oder vereinbarungsgemäß anfällt. Leistungen aus öffentlichen Mitteln, die einen ausbildungsbedingten Sonderbedarf des unterhaltsberechtigten Kindes abdecken, den zu leisten die Eltern danach bürgerlich-rechtlich verpflichtet sind, mindern die Unterhaltsverpflichtungen von Eltern und rechtfertigen daher die Kürzung des Ausbildungsfreibetrags nach § 33a Abs. 2 EStG (BFH vom 17.10.2001, III R 3/01). Eine Saldierung der Ausbildungshilfen mit negativen Einkünften des Kindes ist nicht möglich (BFH vom 7.3.2002, III R 22/01).
Hingegen kommt eine Anrechnung öffentlicher Ausbildungshilfen dann nicht in Betracht, wenn
- die Beihilfe für Maßnahmen gewährt wird, zu denen die Eltern gesetzlich nicht verpflichtet sind, da es in diesem Fall durch die Ausbildungshilfe zu keiner Entlastung von der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsverpflichtung kommt,
- durch die Beihilfe eine besondere Leistung des Auszubildenden belohnt werden soll oder
- die Anrechnung mit dem besonderen Förderzweck unvereinbar ist. Das ist z.B. der Fall bei Stipendien aus dem Erasmus-/Sokrates-Programm der EU, da diese Stipendien nur den mit dem Auslandsstudium verbundenen Mehrbedarf (teilweise) abdecken und eine Anrechnung dem erkennbaren Stipendienzweck entgegenliefe. Das Erasmus-/Sokrates-Programm will die Mobilität von Studenten innerhalb der EU fördern und ihnen einen Studienaufenthalt in einem anderen EU-Land ermöglichen, was ohne die Hilfe häufig schon daran scheiterte, dass die Finanzierung eines Aufenthalts an einer ausländischen Hochschule die wirtschaftlichen Möglichkeiten von Eltern durchschnittlicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse übersteigt. Nach den Förderrichtlinien sollen die Stipendien nicht die üblichen Unterhaltsaufwendungen, sondern allein die anfallenden Mehrkosten (zum Teil) abdecken. Die üblichen Kosten, die im Rahmen der Berufsausbildung anfallen, entfallen bei einem Auslandssemester regelmäßig nicht. Würden die Stipendien auf den Ausbildungsfreibetrag angerechnet, könnte der Entzug dieser Mittel dazu führen, dass der Anreiz für Studien an Hochschulen anderer EU-Länder wegen der Nichtberücksichtigung der hierfür anfallenden Mehrkosten vereitelt würde (BFH vom 17.10.2001, III R 3/01).
2. Bei der Ermittlung der auf den Freibetrag anzurechnenden Einkünfte und Bezüge des Kindes dürfen im Gegensatz zu § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG besondere Ausbildungskosten (H 180e Stichwort „Besondere Ausbildungskosten” EStH 2001) nicht berücksichtigt werden, da es ansonsten zu einer Doppelberücksichtigung des Ausbildungsmehrbedarfs käme, und zwar einerseits direkt durch Berücksichtigung des Freibetrags und andererseits durch die Minderung der Einkünfte und Bezüge. Dies würde dem Gesetzeszweck jedoch zuwiderlaufen, da durch den Freibetrag eben diese besonderen Ausbildungskosten abgedeckt werden sollen.
Dies ergibt sich auch aus § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG, wonach § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG – Nichtberücksichtigung der für besondere Ausbildungszwecke bestimmten Bezüge – bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge im Rahmen des § 33a Abs. 2 EStG keine Anwendung findet.
Normenkette
EStG § 33a Abs. 2