Leitsatz
Der Zustellpunkt (Zustellzentrum), dem ein Postzusteller zugeordnet ist und an dem er arbeitstäglich vor- und nachbereitende Tätigkeiten (z.B. Sortiertätigkeiten, Abschreibpost, Abrechnungen) ausübt, ist erste Tätigkeitsstätte.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a, Abs. 4, Abs. 4a EStG
Sachverhalt
Die Kläger erzielten Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als verbeamteter Postzusteller. Seit Anfang der 1990iger Jahre ist er als Postzusteller im Zustellpunkt R tätig. Bevor er sich von dort auf seine Zustellrunde begibt, hat er im Zustellpunkt R zwei bis zweieinhalb Stunden Vorarbeiten zu erledigen. Nach der Zustellrunde fallen Nacharbeiten an, für die der Kläger ca. 20 bis 30 Minuten benötigt.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (2015 und 2016) begehrte der Kläger u.a. den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei Auswärtstätigkeit mit einer Abwesenheit von mindestens acht Stunden für 144 Tage (2015) und für 133 Tage (2016). Der Zustellbezirk sei als weiträumiges Tätigkeitsgebiet und nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen.
Das FA berücksichtigte die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen nicht. Das FG wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage ab (FG Nürnberg, Urteil vom 3.5.2018, 6 K 1033/17, Haufe-Index 13369616, EFG 2019, 1576).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist gemäß § 9 Abs. 4a Satz 1 EStG zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine Verpflegungspauschale nach Maßgabe des Satzes 3 anzusetzen.
2. Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013 (BGBl I 2013, 285) die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.
a) Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Einer gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf es nicht (BFH, Urteil vom 11.4.2019, VI R 40/16, BFH/NV 2019, 959).
b) Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für die erste Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören (z.B. BFH, Urteil vom 4.4.2019, VI R 27/17, BFH/NV 2019, 944).
c) Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
3. Nach diesen Maßstäben ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Zustellpunkt R als unstreitig ortsfeste betriebliche Einrichtung in den Streitjahren die erste Tätigkeitsstätte des Klägers war.
a) Dieser war der Kläger auch dauerhaft zugeordnet.
aa) Denn der Einsatz des Klägers dort geht auf eine Versetzung zurück. Diese wirkt auch jenseits des 31.12.2013 fort, sodass es keiner erneuten und insbesondere einkommensteuerrechtlichen Festlegung einer ersten Tätigkeitsstätte i.S.v. § 9 Abs. 4 EStG bedurfte. Vielmehr nimmt das neue – zum 1.1.2014 in Kraft getretene – steuerliche Reisekostenrecht die vorgefundenen arbeits- und dienstrechtlichen Festlegungen des Arbeitgebers auf.
bb) Die Zuordnung erfolgte auch unbefristet. Denn die Zuordnung (Versetzung) an den Zustellpunkt R war weder kalendermäßig bestimmt noch ergab sich aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung eine Befristung. Vielmehr ist der Kläger dort über viele Jahre hinweg tätig geworden.
b) Schließlich ist der Kläger am Zustellpunkt R auch in dem erforderlichen Umfang tätig geworden. Als Postzusteller hatte er im Zustellpunkt R arbeitstäglich Tätigkeiten auszuführen, die ebenso zum Berufsbild eines Postzustellers gehören wie das Zustellen der Briefe an die Kunden der Deutschen Post im Zustellbezirk (z.B. Übernahme und erforderlichenfalls Vorsortierung der Kompaktbriefe, Vorsortierung von Großbriefen, Katalogen, Zeitschriften und Tageszeitungen, Vorbereitung des Handwagens für die Zustellrunde sowie Nacharbeiten nach der Zu...