Ein Überblick über Maßnahmen im Vorfeld bis zu seiner Konstituierung
[Ohne Titel]
Dr. Michael Watzl, RA
Wächst eine GmbH in den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes hinein, ist ein paritätisch mitbestimmter Aufsichtsrat einzurichten. Dieser Beitrag gewährt einen Überblick über die Voraussetzungen der Pflicht zur Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats sowie die einzelnen Umsetzungsschritte bei erstmaliger Einrichtung bis zur Konstituierung. Ergänzt wird der Beitrag um praktische Handlungsvorschläge zu den einzelnen Implementierungsschritten.
I. Einführung
Zum 1.1.2022 gab es in Deutschland 1.440.038 Unternehmen in der mit Abstand am häufigsten gewählten Rechtsform der GmbH (die UG mit 175.843 Unternehmen eingerechnet).
Überschaubare Anzahl an paritätisch mitbestimmten GmbH’s: Der Anteil nach dem Mitbestimmungsgesetz mitbestimmter GmbH’s hieran ist indes gering; im Jahr 2020 waren laut dem Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans Böckler Stiftung 377 GmbH’s paritätisch mitbestimmt. Die überschaubare Anzahl an paritätisch mitbestimmten GmbH’s dürfte
- neben der erforderlichen Mindest-Mitarbeiteranzahl
- auch mit den Rechtsfolgen einer unterbliebenen Bildung eines mitbestimmten Aufsichtsrats
begründet sein.
Zwar weitgehende Sanktionslosigkeit bei unterlassener Einrichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats: Zwar ist, wenn die Voraussetzungen der §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 MitbestG vorliegen und somit ein paritätisch mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden ist, unverzüglich das Statusverfahren gem. §§ 97 ff. AktG (analog) einzuleiten. Eine unterlassene Bekanntmachung nach § 97 Abs. 1 AktG ist pflichtwidrig. Beachten Sie: Ein für eine Schadensersatzpflicht der Geschäftsführung erforderlicher Schaden wird jedoch nur in Ausnahmefällen begründbar sein. Die Festsetzung eines Zwangsgelds sieht das Gesetz nicht vor.
Wächst eine GmbH somit in den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes hinein und unterbleibt die Einrichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats, bleibt dies weitgehend sanktionslos. Auch werden im Vorfeld bisweilen andere Möglichkeiten zur Vermeidung einer Mitbestimmung genutzt, wie z.B. die sog. "Flucht in die SE".
Doch: Lässt sich die paritätische Mitbestimmung dauerhaft vermeiden? Aus der weitgehenden Sanktionslosigkeit folgt indes keine Gewissheit, die paritätische Mitbestimmung dauerhaft zu vermeiden:
- Zum einen ist nicht auszuschließen, dass ein Betriebsrat auf die Einrichtung eines mitbestimmten Aufsichtsrats drängt.
- Zum anderen werden (ggf. für das betreffende Unternehmen gerade in Krisenzeiten überlebensnotwendige) staatliche Förderungen (z.B. Corona-Hilfen, Hilfsprogramme für energieintensive Unternehmen) regelmäßig von der Einhaltung auch der Mitbestimmungsregelungen abhängig gemacht bzw. bei Gewährung entsprechende Auflagen erteilt.
Angesichts der geringen Anzahl paritätisch mitbestimmter GmbH’s ist die juristische Literatur zum Vorgehen bei der erstmaligen Einführung eines paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrats in der GmbH übersichtlich.
Der vorliegende Beitrag soll diese Lücke schließen und die Maßnahmen im Vorfeld der Einrichtung des ersten mitbestimmten Aufsichtsrats einer GmbH bis hin zu dessen Konstituierung überblicksartig beleuchten. Dabei wird ausdrücklich die gesellschaftsrechtliche Perspektive eingenommen; auf das komplexe Wahlverfahren der Arbeitnehmer soll hier nicht im Einzelnen eingegangen werden.
II. Voraussetzungen für die Pflicht zur Bildung eines paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrats
Gemäß §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 MitbestG ist
- bei Unternehmen in der Rechtsform der GmbH,
- die in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen,
ein obligatorischer Aufsichtsrat zu bilden.
Berechnung der Arbeitnehmeranzahl: Der obligatorische Aufsichtsrat ist paritätisch zu besetzen, wobei die Gesamtgröße des Aufsichtsrats abhängig von der Arbeitnehmeranzahl ist (§ 7 Abs. 1 MitbestG). Bei der Berechnung der Arbeitnehmeranzahl sind gem. § 5 Abs. 1 MitbestG Arbeitnehmer von Konzernunternehmen miteinzuberechnen, wenn ein in § 1 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG bezeichnetes Unternehmen herrschendes Unternehmen eines Konzerns ist.
Abstellen auf "in der Regel" Beschäftigte: Der § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG stellt auf die "in der Regel" Beschäftigten ab. Demzufolge ist die Feststellung der Beschäftigtenzahl nicht stichtagsbezogen durchzuführen, sondern unter Berücksichtigung der Vergangenheit und der zukünftigen Entwicklung festzulegen. Der dafür angemessene Bemessungszeitraum muss dem Zweck dienen, dass bei Schwankungen der Arbeitnehmeranzahl kein häufiger Wechsel der Mitbestimmungsform eintritt. Sinkt die Anzahl der Arbeitnehmer nur vorübergehend unter 2.000, führt dies nicht zur Beendigung der Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz.