Leitsatz
1. Die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz i.S. des Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Die Regelung bewirkt auch keinen Verstoß gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Satz 2 Buchst. b, § 21 ErbStG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 63 Abs. 1 AEUV, Art. 2 EGFreizügAbk Schweiz
Sachverhalt
Der Kläger erwarb von seiner Mutter im Dezember 2011 ein in der Schweiz belegenes Grundstück gegen Bestellung eines hinter dem Wert des Grundstücks zurückbleibenden sog. lebenslänglichen Nutznießungsrechts nach Schweizer Recht. Der Kläger und seine Mutter, die beide deutsche Staatsangehörige waren, hatten vor der Übertragung ihre Wohnsitze in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben und waren im November 2011 in die Schweiz verzogen.
Das FA setzte für den Grundstückserwerb Schenkungsteuer fest. Mit seiner Klage vor dem FG machte der Kläger geltend, die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Buchst. b ErbStG sei verfassungs- und unionsrechtswidrig. Das FG wies die Klage ab (FG München, Urteil vom 3.7.2019, 4 K 1286/18, Haufe-Index 13876819, EFG 2020, 684).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Die dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegenden Vorschriften verstießen weder gegen Verfassungs- noch gegen Unionsrecht.
Hinweis
Der BFH bejaht im Besprechungsurteil die Frage, ob die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Buchst. b ErbStGmit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar ist.
1. Als Schenkung unter Lebenden nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt u.a. gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tritt die Steuerpflicht in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG, wenn der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall ein (unbeschränkte Steuerpflicht). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG gelten als Inländer auch deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben.
2. Diese sog. erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Bei der Ausgestaltung der unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht steht dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Die konkrete Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG sieht der BFH als sachgerecht und nicht willkürlich an.
b) Die Ungleichbehandlung von deutschen und nichtdeutschen Staatsangehörigen ist aufgrund des durch die deutsche Staatsangehörigkeit bewirkten engen Inlandsbezugs gerechtfertigt. Die an die Staatsangehörigkeit geknüpfte Steuerpflicht ist auf einen Zeitraum von fünf Jahren beschränkt, in dem kein inländischer Wohnsitz bestanden hat. Diese zeitliche Begrenzung trägt in freiheitsschonendem Maße der Tatsache Rechnung, dass mit fortschreitendem Zeitablauf die Bindungen des im Ausland wohnhaften deutschen Staatsangehörigen an das Inland allmählich verblassen. Die konkrete Festlegung des Zeitraums auf fünf Jahre hält sich dabei in den Grenzen einer zulässigen Typisierung.
In § 21 ErbStG ist zudem eine – jedenfalls teilweise – Vermeidung einer Doppelbesteuerung in Auslandsfällen vorgesehen.
c) Die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Buchst. b ErbStG geregelte erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht leidet auch nicht an einem mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren strukturellen Erhebungs- und Vollzugsdefizit. Das Erhebungsverfahren ist nicht strukturell auf Undurchsetzbarkeit angelegt. Der Gesetzgeber hat vielmehr verschiedene verfahrensrechtliche Sicherungsmechanismen vorgesehen, um Fälle der vorliegenden Art steuerlich erfassen zu können, nämlich die Anzeigepflicht der an der Schenkung Beteiligten (§ 30 Abs. 1 und 2 ErbStG), die lange Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist bei Unkenntnis der Behörde bis zum Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist (§ 170 Abs. 5 Nr. 2 AO), und die besonderen Mitwirkungspflichten der Beteiligten in Auslandsfällen (§ 90 Abs. 2 AO). Durch den Auslandsbezug bedingte Vollzugsdefizite ergeben für sich allein noch keine Verletzung des Gleichheitssatzes.
3. Die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verletzt auch nicht Art. 2 Abs. 1 GG unter dem Aspekt der Ausreisefreiheit. Sofern man aufgrund des (zunächst) weiter bestehenden Steuerzugriffs aufgrund der Staatsangehörigkeit einen Eingriff in das Grundrecht bejahen wollte, so wäre dieser jedenfalls gerechtfertigt.
4. Die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verstößt auch nicht gegen Unionsrecht.
a) Eine Verletzung der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) ist nicht gegeben. Die Rechtslage ist bereits durch die Rechtsprechung des...