Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gesellschaftsrecht. Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Entschädigung für Beitreibungskosten. Zahlung eines Pauschalbetrags und eines angemessenen Ersatzes. Anrechnung des Pauschalbetrags auf die entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten
Normenkette
Richtlinie 2011/7/EU Art. 6
Beteiligte
Tenor
Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ist dahin auszulegen, dass der dem Gläubiger nach deren Art. 6 Abs. 1 zustehende Pauschalbetrag von 40 Euro auf den in Art. 6 Abs. 3 dieser Richtlinie vorgesehenen angemessenen Ersatz anzurechnen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. Januar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Februar 2018, in dem Verfahren
Vanessa Gambietz
gegen
Erika Ziegler
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos (Berichterstatter) sowie der Richter E. Juhász und M. Ilešič,
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. 2011, L 48, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Vanessa Gambietz und Frau Erika Ziegler wegen Beitreibung einer Forderung von Frau Gambietz gegen Frau Ziegler.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 19 und 20 der Richtlinie 2011/7 lauten:
„(19) Eine gerechte Entschädigung der Gläubiger für die aufgrund eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten ist erforderlich, um von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken. In den Beitreibungskosten sollten zudem die aufgrund des Zahlungsverzugs entstandenen Verwaltungskosten und die internen Kosten enthalten sein; für diese Kosten sollte durch diese Richtlinie ein pauschaler Mindestbetrag vorgesehen werden, der mit Verzugszinsen kumuliert werden kann. Die Entschädigung in Form eines Pauschalbetrags sollte dazu dienen, die mit der Beitreibung verbundenen Verwaltungskosten und internen Kosten zu beschränken. Eine Entschädigung für die Beitreibungskosten sollte unbeschadet nationaler Bestimmungen, nach denen ein nationales Gericht dem Gläubiger eine Entschädigung für einen durch den Zahlungsverzug eines Schuldners entstandenen zusätzlichen Schaden zusprechen kann, festgelegt werden.
(20) Neben einem Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrages für interne Beitreibungskosten sollte der Gläubiger auch Anspruch auf Ersatz der übrigen, durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten haben. Zu diesen Kosten sollten insbesondere Kosten zählen, die dem Gläubiger durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.”
Rz. 4
Art. 6 „Entschädigung für Beitreibungskosten”) der Richtlinie sieht vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen gemäß Artikel 3 oder Artikel 4 im Geschäftsverkehr Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens 40 [Euro] hat.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der in Absatz 1 genannte Pauschalbetrag ohne Mahnung und als Entschädigung für die Beitreibungskosten des Gläubigers zu zahlen ist.
(3) Der Gläubiger hat gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu dem in Absatz 1 genannten Pauschalbetrag einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, die diesen Pauschalbetrag überschreiten. Zu diesen Kosten können auch Ausgaben zählen, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.”
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
Rz. 5
Frau Gambietz begehrt die Verurteilung von Frau Ziegler, ihrer Schuldnerin, zur Zahlung ihrer Hauptforderung nebst Zinsen sowie weiterer 112 Euro. Dieser Betrag setzt sich aus einer Pauschale von 40 Euro gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (im Folgenden: BGB) sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 72 Euro zusammen.
Rz. 6
Nachdem das Amtsgericht Eilenburg (Deutschland) dieser Klage mit Ausnahme des Pauschalbetrags von 40 Euro stattgegeben hatte, legte die Klägerin des Ausgangsverfahrens gegen das ergangene Urteil Berufung zum Landgericht Leipzig (Deutschland) ein. Dieses wies die Berufung zurück und führte aus, dass der Pauschalbetrag nach § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten anzurechnen sei.
Rz. 7
Gegen diese Entsc...