Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeindezuschlagsteuer, Zinsen/Dividenden aus beweglichem Vermögen in anderem Mitgliedstaat, Mobiliensteuervorabzug, Belgien
Leitsatz (amtlich)
Art. 56 EG steht einer Vorschrift eines Mitgliedstaats entgegen, wonach in diesem Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige, die Zinsen oder Dividenden aus Anlagen oder Investitionen beziehen, die in einem anderen Mitgliedstaat getätigt wurden, einer Gemeindezuschlagsteuer unterworfen sind, wenn sie sich nicht dafür entschieden haben, sich diese Einkünfte aus beweglichem Vermögen von einer in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat niedergelassenen Zwischenperson auszahlen zu lassen, während gleichartige Einkünfte, die aus Anlagen oder Investitionen stammen, die in ihrem Wohnsitzmitgliedstaat getätigt wurden, nicht erklärt werden müssen und in diesem Fall nicht unter eine derartige Steuer fallen, weil sie einer Besteuerung an der Quelle unterliegen.
Normenkette
EGVtr Art. 56
Beteiligte
Dijkman und Dijkman-Lavaleije |
Gerhard Dijkman, Maria Dijkman-Lavaleije |
Verfahrensgang
Hof van Beroep te Antwerpen (Belgien) (Urteil vom 16.06.2009; Abl.EU 2009, Nr. C 220/20) |
Tatbestand
„Freier Dienstleistungsverkehr ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Direkte Besteuerung ‐ Unterschiedliche Behandlung nach dem Ort der Investition oder Anlage“
In der Rechtssache C-233/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hof van beroep te Antwerpen (Belgien) mit Entscheidung vom 16. Juni 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juni 2009, in dem Verfahren
Gerhard Dijkman,
Maria Dijkman-Lavaleije
gegen
Belgische Staat
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter E. Levits (Berichterstatter), M. Ilešič und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Dijkman und Frau Dijkman-Lavaleije,
‐ der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux als Bevollmächtigten,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und W. Roels als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 Abs. 1 EG.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Dijkman und Frau Dijkman-Lavaleije einerseits und dem belgischen Staat andererseits wegen der Weigerung der belgischen Steuerverwaltung, ihnen u. a. die Gemeindezuschlagsteuer auf die Steuer der natürlichen Personen (im Folgenden: Gemeindezuschlagsteuer) zu erstatten, die für die Veranlagungsjahre 2004 und 2005 proportional zu der Steuer der natürlichen Personen (Einkommensteuer für natürliche Personen) erhoben wurde, mit der bestimmte Einkünfte aus beweglichem Vermögen belegt sind, die aus in den Niederlanden getätigten Investitionen und Anlagen stammen.
Nationaler rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Nach Art. 261 des Wetboek van de Inkomstenbelastingen 1992 (Einkommensteuergesetzbuch, im Folgenden: WIB 1992) wird der Mobiliensteuervorabzug u. a. von Einwohnern des Königreichs Belgien, inländischen Gesellschaften, Vereinigungen, Niederlassungen und Einrichtungen und juristischen Personen, die der Steuer der juristischen Personen unterliegen, die Schuldner von Einkünften aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern sind, sowie von Vermittlern geschuldet, die in Belgien ansässig sind und in gleich welcher Weise an der Auszahlung von Einkünften aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern ausländischer Herkunft beteiligt sind, außer wenn ihnen nachgewiesen wird, dass ein vorheriger Vermittler den Vorabzug einbehalten hat.
Rz. 4
Gemäß Art. 313 WIB 1992 sind Steuerpflichtige, die der Steuer der natürlichen Personen unterliegen ‐ außer bei bestimmten Arten von Einkünften, die im Ausgangsverfahren nicht betroffen sind ‐, nicht dazu verpflichtet, in ihrer jährlichen Erklärung zu vorerwähnter Steuer Einkünfte aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern, für die ein Mobiliensteuervorabzug gezahlt wurde, oder Einkünfte, die aufgrund von Gesetzes- oder Verordnungsbestimmungen vom Mobiliensteuervorabzug befreit sind, anzugeben. Der Mobiliensteuervorabzug auf solche nicht angegebene Einkünfte kann weder auf die Steuer der natürlichen Personen angerechnet noch erstattet werden.
Rz. 5
Agglomerationen und Gemeinden dürfen nach Art. 465 WIB 1992 eine Zuschlagsteuer auf die Steuer der natürlichen Personen festlegen.
Rz. 6
Art. 466 WIB 1992 bestimmt:
„Die Gemeindezuschlagsteuer … und die Agglomerationszuschlagsteuer auf die Steuer der natürlichen Personen werden [nach der] Steuer der natürlichen Personen berechnet, die festgelegt wird:
‐ vor Anrechnung der Vorauszahlungen erwähnt in den Artikeln 157 bis 168 und 175 bis 177 und der Vorabzüge, des Pauschalanteils ausländischer Steuer und der Steuergutschriften erwähnt in den Artikeln 134 und 277 bis 296,
‐ vor Anwendung der...