Entscheidungsstichwort (Thema)

EWR-Abkommen, Besteuerung von Investmentgesellschaften, Einkünfte aus Kapitalvermögen, unterschiedliche Besteuerung gebietsansässiger und gebietsfremder Gesellschaften

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 49 AEUV und 63 AEUV und den Art. 31 und 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen, dass es Regeln beibehalten hat, die bei der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern danach unterscheiden, ob diese Einkünfte von gebietsansässigen Investmentgesellschaften oder von gebietsfremden Investmentgesellschaften ohne feste Niederlassung in Belgien bezogen werden.

2. Das Königreich Belgien trägt die Kosten.

3. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine eigenen Kosten.

 

Normenkette

AEUV Art. 49, 63; EWR-Abkommen Art. 31, 40

 

Beteiligte

Kommission / Belgien

EU-Kommission

Königreich Belgien

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Art. 49 AEUV und 63 AEUV ‐ Art. 31 und 40 des EWR-Abkommens ‐ Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern ‐ Gebietsansässige und gebietsfremde Investmentgesellschaften ‐ Mobiliensteuervorabzug ‐ Anrechnung des Mobiliensteuervorabzugs ‐ Steuerbefreiung für Einkünfte aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern ‐ Diskriminierung ‐ Rechtfertigungsgründe“

In der Rechtssache C-387/11

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 19. Juli 2011,

Europäische Kommission, vertreten durch W. Mölls und C. Soulay als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Belgien, vertreten durch J.-C. Halleux und M. Jacobs als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch:

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch S. Behzadi-Spencer als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richter A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und J.-J. Kasel sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission beim Gerichtshof die Feststellung, dass das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 49 AEUV und 63 AEUV und den Art. 31 und 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass es Regeln beibehalten hat, die bei der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen und beweglichen Gütern danach unterscheiden, ob diese Einkünfte von belgischen Investmentgesellschaften oder von ausländischen Investmentgesellschaften bezogen werden.

Einschlägige Vorschriften des belgischen Rechts

Rz. 2

Art. 1 des Einkommensteuergesetzbuchs 1992 (im Folgenden: Einkommensteuergesetzbuch) bestimmt:

㤠1 Als Einkommensteuern werden erhoben:

1. eine Steuer auf das Gesamteinkommen der Einwohner des Königreichs, Steuer der natürlichen Personen genannt,

2. eine Steuer auf das Gesamteinkommen der inländischen Gesellschaften, Gesellschaftssteuer genannt,

3. eine Steuer auf das Einkommen belgischer juristischer Personen, die keine Gesellschaften sind, Steuer der juristischen Personen genannt,

4. eine Steuer auf das Einkommen Nichtansässiger, Steuer der Gebietsfremden genannt.

§ 2 Die Steuern werden in Grenzen und unter Bedingungen, die in Titel VI Kapitel I vorgesehen sind, per Vorabzug erhoben.“

Die für in Belgien ansässige Investmentgesellschaften geltende Steuerregelung

Rz. 3

Nach Art. 179 des Einkommensteuergesetzbuchs unterliegen inländische Gesellschaften, d. h. Gesellschaften, deren Gesellschaftssitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsführungs- oder Verwaltungssitz in Belgien liegt (im Folgenden auch: gebietsansässige Gesellschaften), der Gesellschaftssteuer.

Rz. 4

Art. 185 § 1 des Einkommensteuergesetzbuchs bestimmt, dass diese Gesellschaften in Bezug auf den Gesamtbetrag der Gewinne einschließlich der ausgeschütteten Dividenden steuerpflichtig sind.

Rz. 5

Nach Art. 185bis § 1 des Einkommensteuergesetzbuchs sind jedoch Investmentgesellschaften „nur in Bezug auf den Gesamtbetrag der erhaltenen ungewöhnlichen oder freiwilligen Vorteile und der nicht als Werbungskosten abzugsfähigen Ausgaben und Kosten, die keine Wertminderungen und Minderwerte auf Aktien oder Anteile sind, steuerpflichtig, unbeschadet jedoch der Tatsache, dass sie der in Artikel 219 vorgesehenen getrennten Steuer unterliegen“.

Rz. 6

In diesem Zusammenhang bestimmt Art. 219 des Einkommensteuergesetzbuchs, dass u. a. auf die Ausgaben der Gesellschaft, nämlich Provisionen, Maklergebühren, kommerzielle oder andere Ermäßigungen, die nicht durch Individualkarten und eine zusammenfassende Aufstellung nachg...

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