Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Zollunion. Gemeinsamer Zolltarif. Befreiung von den Eingangsabgaben. Markierungen zur Kennzeichnung von Fischen. Begriff ‚wissenschaftliche Instrumente oder Apparate’. Tarifierung. Kombinierte Nomenklatur
Normenkette
EGV 1186/2009 Art. 46 Buchst. a; EWGV 2658/87 Anhang I
Beteiligte
Pārtikas drošības, dzīvnieku veselības un vides zinātniskais institūts „BIOR” |
Verfahrensgang
Augstākā tiesa (Senāts) (Lettland) (Beschluss vom 30.05.2023; ABl. EU 2023, Nr. C 286/23) |
Tenor
1. Art. 46 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen
ist dahin auszulegen, dass
mit Kunststoff beschichtete oder aus Polyethylenstäben hergestellte Markierungen, die aufgrund ihrer besonderen technischen Gestaltung und Funktionsweise selbst als Mittel wissenschaftlicher Forschung dienen, indem sie an lebenden Fischen befestigt werden, um deren Wanderung und Wachstum zu beobachten, nicht unter den Begriff „wissenschaftliche Instrumente” im Sinne dieser Bestimmung fallen.
2. Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 und durch die Durchführungsverordnung (EU) 2017/1925 der Kommission vom 12. Oktober 2017 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
mit Kunststoff beschichtete oder aus Polyethylenstäben hergestellte Markierungen, die zu wissenschaftlichen Forschungszwecken an lebenden Fischen befestigt werden, in die Unterposition 3926 90 97 dieser Nomenklatur einzureihen sind, sofern diese Markierungen entweder ausschließlich aus „Kunststoffen” im Sinne der Anmerkung 1 zu Kapitel 39 dieser Nomenklatur bestehen oder der Kunststoff ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn es sich im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 3 b) für die Auslegung dieser Nomenklatur um Mischungen oder Waren handelt, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, deren Einreihung nicht nach der Allgemeinen Vorschrift 3 a) erfolgen kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Augstākā tiesa (Senāts) (Oberstes Gericht, Lettland) mit Entscheidung vom 30. Mai 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Mai 2023, in dem Verfahren
Pārtikas drošības, dzīvnieku veselības un vides zinātniskais institūts „BIOR”
gegen
Valsts ieņēmumu dienests
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter P. G. Xuereb und A. Kumin (Berichterstatter),
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Valsts ieņēmumu dienests, vertreten durch I. Jaunzeme, Ģenerāldirektore,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Salyková und A. Sauka als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft zum einen die Auslegung von Art. 46 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl. 2009, L 324, S. 23) und zum anderen der zolltariflichen Unterpositionen 3926 90 92 und 3926 90 97 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 (ABl. 2000, L 28, S. 16) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2658/87) in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/1925 der Kommission vom 12. Oktober 2017 (ABl. 2017, L 282, S. 1) (im Folgenden: KN).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Pārtikas drošības, dzīvnieku veselības un vides zinātniskais institūts „BIOR” (Institut für Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit und Umwelt „BIOR”, Lettland) (im Folgenden: BIOR) und dem Valsts ieņēmumu dienests (Steuerverwaltung, Lettland) über die zolltarifliche Einreihung und in weiterer Folge die von BIOR geschuldeten Eingangsabgaben für Markierungen zur Kennzeichnung von Fischen.
Rechtlicher Rahmen
Das HS
Rz. 3
Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde mit dem am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren im Rahmen der Weltzollorganisation (WZO) eingeführt und mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. 1987, L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt. Die E...