Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Soziale Sicherheit. Antrag auf Gewährung von Familienleistungen, der von einer Person gestellt wird, die im zuständigen Mitgliedstaat keine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer mehr ausübt, aber weiterhin dort wohnt. Anspruch auf Familienleistungen für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Anspruchsvoraussetzungen
Normenkette
EGV Nr. 883/2004 Art. 67
Beteiligte
Minister for Social Protection |
Tenor
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, insbesondere ihr Art. 67 in Verbindung mit ihrem Art. 11 Abs. 2, ist dahin auszulegen, dass für den Anspruch einer Person auf Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens weder Voraussetzung ist, dass diese Person in diesem Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt, noch, dass sie von ihm aufgrund oder infolge einer Beschäftigung eine Geldleistung bezieht.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 15. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Mai 2017, in dem Verfahren
Eugen Bogatu
gegen
Minister for Social Protection
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer M. Vilaras in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), L. Bay Larsen, M. Safjan und D. Šváby,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Bogatu, vertreten durch C. Stamatescu, Solicitor, und D. Shortall, BL,
- des Minister for Social Protection, vertreten durch M. Browne, C. Keane und A. Morrissey als Bevollmächtigte im Beistand von M. D. Finan, BL, und R. Mulcahy, SC,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Crane und S. Brandon als Bevollmächtigte im Beistand von K. Apps, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und J. Tomkin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. Oktober 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Abs. 2 und Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Eugen Bogatu und dem Minister for Social Protection (Minister für sozialen Schutz, Irland) (im Folgenden: Minister) wegen der Entscheidung, mit der dieser es abgelehnt hat, Herrn Bogatu Familienleistungen für einen Teil des von seinem Antrag erfassten Zeitraums zu zahlen.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) wurde zum 1. Mai 2010, dem Tag, an dem die Verordnung Nr. 883/2004 anwendbar wurde, aufgehoben.
Rz. 4
Art. 2 „Persönlicher Geltungsbereich”) der Verordnung Nr. 1408/71 sah in Abs. 1 vor:
„Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, … sowie für deren Familienangehörige …”
Rz. 5
Art. 73 „Arbeitnehmer oder Selbständige, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat wohnen”) der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmte insbesondere:
„Ein Arbeitnehmer …, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, hat … für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten.”
Rz. 6
In Art. 2 „Persönlicher Geltungsbereich”) Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 heißt es:
„Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats … sowie für ihre Familienangehörigen …”
Rz. 7
Art. 11 „Allgemeine Regelung”) in Titel II „Bestimmung des anwendbaren Rechts”) der Verordnung Nr. 883/2004 bestimmt in Abs. 2 u. a.:
„Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge [einer] Beschäftigung … eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung … ausüben. …”
Rz. 8
Art. 67 „Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen”) der Verordnung Nr. 883/2004, der zu Kapitel 8 „Familienleistungen”) in Titel III „Besondere Bestimmungen ...