Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahme eines Mietvertrags, vermietungsgleiche Leistung, Steuerbefreiung, Vereinigtes Königreich
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Person, die ursprünglich kein Recht an einem Grundstück hat, aber gegen Zahlung eines Geldbetrages seitens des Vermieters einen Mietvertrag über dieses Grundstück mit dem Vermieter abschließt und/oder ein Mietangebot des Vermieters annimmt, erbringt keine Dienstleistung im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage.
2. Eine Person, die ursprünglich kein Recht an einem Grundstück hat, aber in einer Optionsvereinbarung derart, wie sie dem Ausgangsverfahrens zugrunde liegt, gegen Zahlung eines Betrages seitens des Vermieters, der als Sicherheit für die Verpflichtungen aus der Optionsvereinbarung in einem Sonderkonto verbleibt, eine Option auf die Anmietung dieses Grundstücks übernimmt, und die später diese Option gemäß der Optionsvereinbarung ausübt und das Mietangebot für das Grundstück gegen die Freigabe des Geldes im Sonderkonto annimmt, erbringt zu keiner Zeit eine Dienstleistung im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. b
Beteiligte
Commissioners of Customs & Excise |
Tatbestand
Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Befreiung der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Steuer - Begriff - Eingehen einer Mietsverpflichtung
In der Rechtssache C-409/98
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court) (Vereinigtes Königreich), in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Commissioners of Customs & Excise
gegen
Mirror Group plc
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin F. Macken, der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin) sowie der Richter C. Gulmann, J.-P. Puissochet und R. Schintgen,
Generalanwalt: A. Tizzano
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Abteilungsleiterin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Mirror Group plc, vertreten durch D. Milne, QC, und G. Sinfield, Solicitor,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Ewing als Bevollmächtigten im Beistand von N. Pleming, QC, und P. Whipple, Barrister,
- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und C.-D. Quassowski als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und F. Riddy als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Mirror Group plc, vertreten durch D. Milne und G. Sinfield, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Amodeo als Bevollmächtigten im Beistand von N. Pleming und Ph. Whipple, der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing, der Kommission, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten, in der Sitzung vom 16. November 2000,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Januar 2001,
folgendes
Urteil
1. Der High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), hat mit Beschluss vom 15. Oktober 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 17. November 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) zwei Fragen zur Auslegung von Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Mirror Group plc (Klägerin) und den Commissioners of Customs & Excise (Beklagte), die im Vereinigten Königreich für die Erhebung der Mehrwertsteuer zuständig sind, über die Frage, ob eine Verpflichtung der Klägerin, Mieter zu werden, der Mehrwertsteuer unterliegt.
Gemeinschaftsrecht
3. In Artikel 2, der Abschnitt II - Steueranwendungsbereich - der Sechsten Richtlinie bildet, heißt es:
Der Mehrwertsteuer unterliegen:
(1) Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
…
4. Die Artikel 5 und 6 der Sechsten Richtlinie, die zu Abschnitt V - Steuerbarer Umsatz - gehören, bestimmen:
Artikel 5
Lieferung von Gegenständen
(1) Als Lieferung eines Gegens...