Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit. Arbeitszeitgestaltung. Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Berechnung der Urlaubsansprüche im Fall der Erhöhung der Arbeitszeit. Auslegung des Pro-rata-temporis-Grundsatzes
Normenkette
Richtlinie 2003/88/EG
Beteiligte
Tenor
1. Paragraf 4 Nr. 2 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 geänderten Fassung und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sind dahin auszulegen, dass im Fall einer Erhöhung der von einem Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, vorzusehen, dass die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, der bereits erworben war und eventuell in Anspruch genommen wurde, nach dem neuen Arbeitsrhythmus dieses Arbeitnehmers rückwirkend nachberechnet werden müssen. Eine Nachberechnung ist jedoch für den Zeitraum vorzunehmen, in dem sich die Arbeitszeit des Arbeitnehmers erhöht hat.
2. Paragraf 4 Nr. 2 dieser Rahmenvereinbarung und Art. 7 der Richtlinie 2003/88 sind dahin auszulegen, dass die Berechnung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nach denselben Grundsätzen vorzunehmen ist, ganz gleich, ob es sich um die Bestimmung der Ersatzvergütung für bezahlten, nicht genommenen Jahresurlaub in dem Fall, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird, oder um die Bestimmung des Restbetrags der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub im Fall der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses handelt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Employment Tribunal Birmingham (Arbeitsgericht Birmingham, Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 23. April 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Mai 2014, in dem Verfahren
Kathleen Greenfield
gegen
The Care Bureau Ltd
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zehnten Kammer F. Biltgen (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer und der Richter A. Borg Barthet und S. Rodin,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der The Care Bureau Ltd, vertreten durch I. Pettifer, Solicitor,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Christie als Bevollmächtigten im Beistand von G. Facenna, Barrister,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. de Ree als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und J. Enegren als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 4 Nr. 2 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (im Folgenden: Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit) im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. 1998, L 14, S. 9) in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 (ABl. L 131, S. 10) geänderten Fassung und von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Greenfield und The Care Bureau Ltd (im Folgenden: Care) über die Berechnung der finanziellen Vergütung für bezahlten, nicht genommenen Jahresurlaub, auf den Frau Greenfield nach der Beendigung ihres Arbeitsvertrags Anspruch zu haben behauptet.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Paragraf 4 („Grundsatz der Nichtdiskriminierung”) der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit bestimmt:
- „Teilzeitbeschäftigte dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt.
- Es gilt, wo dies angemessen ist, der Pro-rata-temporis-Grundsatz.”
Rz. 4
Paragraf 6 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten und/oder die Sozialpartner können günstigere Bestimmungen beibehalten oder einführen, als sie in dieser Vereinbarung...