Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Gleichbehandlung. Soziale Vergünstigungen. Obergrenzen in Bezug auf die Mittel. Berücksichtigung der im vorletzten Jahr vor dem Zeitraum der Zahlung von Leistungen erzielten Mittel. Arbeitnehmer, der in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehrt. Verringerung der Kindergeldansprüche
Normenkette
AEUV Art. 45; EUV 492/2011 Art. 7 Abs. 2
Beteiligte
Caisse d'allocations familiales (CAF) d'Ille-et-Vilaine |
Verfahrensgang
Tribunal de grande instance de Rennes (Frankreich) (Beschluss vom 07.06.2019; ABl. EU 2020, Nr. C 95/21) |
Tenor
Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die als Bezugsjahr für die Berechnung der zu gewährenden Familienleistungen das vorletzte Jahr vor dem Zahlungszeitraum bestimmt, so dass im Fall einer erheblichen Steigerung der Einkünfte eines nationalen Beamten bei einer Abordnung zu einem Organ der Union, das seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, der Betrag des Kindergelds bei der Rückkehr dieses Beamten in seinen Herkunftsmitgliedstaat zwei Jahre lang stark verringert ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal de grande instance de Rennes (Regionalgericht Rennes, Frankreich) mit Entscheidung vom 7. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Januar 2020, in dem Verfahren
PF
QG
gegen
Caisse d'allocations familiales (CAF) d'Ille-et-Vilaine
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Wahl, des Richters F. Biltgen (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von PF und QG, die sich selbst vertreten,
- der französischen Regierung, vertreten durch E. de Moustier und A. Ferrand als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und J. Pavliš als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von A. Giordano, avvocato dello Stato,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 20 und 45 AEUV, des Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, Berichtigung ABl. 2004, L 200, S. 1) sowie des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Eheleuten PF und QG, die die französische Staatsangehörigkeit besitzen, und der Caisse d'allocations familiales (CAF) d'Ille-et-Vilaine (Familienkasse Ille-et-Vilaine, Frankreich) über die Bestimmung des Bezugskalenderjahrs für die Zwecke der Beurteilung ihres Anspruchs auf Kindergeld und der Berechnung der Höhe des Kindergelds.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 883/2004
Rz. 3
Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 gilt diese „für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats … mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen”.
Rz. 4
Art. 4 dieser Verordnung bestimmt:
„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.”
Verordnung Nr. 492/2011
Rz. 5
Art. 7 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 492/2011 sieht vor:
„(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.
(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.”
Französisches Recht
Rz. 6
Gemäß Art. L. 521-1 des Code de la sécurité sociale (Sozialgesetzbuch) wird Kindergeld ab dem zweiten unterhaltsberechtigten Kind gezahlt. Die ...