Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss des Vorsteuerabzugs für Unternehmen mit Umsätzen in anderen EU-Mitgliedstaaten, Vorsteuerabzug nach Maßgabe der Art der Registrierung des Steuerpflichtigen, Vorsteuerabzug aus einer Reverse-Charge-Steuerschuld
Leitsatz (amtlich)
Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2009/162/EU des Rates vom 22. Dezember 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die einen im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Steuerpflichtigen mit der Begründung, er sei nach einem der beiden in Art. 214 Abs. 1 Buchst. d und e der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2009/162 geänderten Fassung genannten Fälle als mehrwertsteuerpflichtig registriert, daran hindert, die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen, die von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Steuerpflichtigen erbracht und für die Erbringung von Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten als dem, in dem dieser Steuerpflichtige ansässig ist, verwendet wurden, als Vorsteuer abzuziehen. Hingegen sind Art. 168 Buchst. a und Art. 169 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2009/162 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, die einen im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Steuerpflichtigen, der dort unter eine Steuerbefreiungsregelung fällt, an der Ausübung des Rechts auf Abzug der in diesem Staat geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen, die von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Steuerpflichtigen erbracht und für die Erbringung von Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten als dem, in dem dieser Steuerpflichtige ansässig ist, verwendet wurden, als Vorsteuer hindert.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 168 Buchst. a, Art. 169 Buchst. a
Beteiligte
Entertainment Bulgaria System |
Entertainment Bulgaria System EOOD |
Direktor na Direktsia Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika - Sofia |
Verfahrensgang
Administrativen sad Sofia-grad (Bulgarien) (Beschluss vom 12.09.2016; ABl. EU 2016, Nr. C 441/13) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 168 Buchst. a, Art. 169 Buchst. a, Art. 214 Abs. 1 Buchst. d und e sowie Art. 289 und 290 ‐ Abzugsfähigkeit der als Vorsteuer geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer ‐ Ausgangsumsätze in anderen Mitgliedstaaten ‐ Steuerbefreiungsregelung in dem Mitgliedstaat, in dem das Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt wird"
In der Rechtssache C-507/16
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht der Stadt Sofia, Bulgarien) mit Entscheidung vom 12. September 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 26. September 2016, in dem Verfahren
Entertainment Bulgaria System EOOD
gegen
Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika" ‐ Sofia
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Richters J.-C. Bonichot (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter S. Rodin und E. Regan,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der Entertainment Bulgaria System EOOD, vertreten durch S. Georgieva als Bevollmächtigte,
‐ des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika" ‐ Sofia, vertreten durch A. Georgiev als Bevollmächtigten,
‐ der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova und M. Georgieva als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und P. Mihaylova als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 168 Buchst. a und b, von Art. 169 Buchst. a und von Art. 214 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2009/162/EU des Rates vom 22. Dezember 2009 (ABl. 2010, L 10, S. 14) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2006/112).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Entertainment Bulgaria System EOOD (im Folgenden: EBS) und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika" ‐ Sofia (Direktor der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis", Sofia, Bulgarien) über einen Steuerprüfungsbescheid, mit dem gegen dieses Unternehmen Mehrwertsteuerschulden und Verzugszinsen festgesetzt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 168 der Richtlinie 2006/112 sieht vor:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaa...