Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer, Vorsteuerabzug, Umbau eines Gebäudes für den Privatbedarf, Unerheblichkeit eines Vorsteuerabzugs zum Zeitpunkt des Gebäudeerwerbs
Leitsatz (amtlich)
Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und b, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c und Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass einem Steuerpflichtigen, der einen Teil eines zu seinem Unternehmen gehörenden Investitionsgutes vorübergehend für seinen privaten Bedarf verwendet, nach diesen Bestimmungen das Recht auf Vorsteuerabzug für Ausgaben für dauerhafte Umgestaltungen auch dann zusteht, wenn die Umgestaltungen im Hinblick auf diese vorübergehende private Verwendung durchgeführt wurden, und dass ferner dieses Abzugsrecht unabhängig davon besteht, ob dem Steuerpflichtigen beim Erwerb des Investitionsgutes, an dem die Umgestaltungen vorgenommen wurden, Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt und ob diese Mehrwertsteuer von ihm abgezogen wurde.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 6 Abs. 2, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c, Art. 17 Abs. 2
Beteiligte
Staatssecretaris van Financiën |
Verfahrensgang
Hoge Raad (Niederlande) (Urteil vom 11.06.2010; ABl. EU 2010, Nr. C 246/50) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und b, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c und Art. 17 Abs. 2 ‐ Teil eines einem Unternehmen zugeordneten Investitionsgutes ‐ Vorübergehende Verwendung zu privaten Zwecken ‐ Dauerhafte Umgestaltungen dieses Investitionsgutes ‐ Entrichtung der Mehrwertsteuer für die dauerhaften Umgestaltungen ‐ Recht zum Vorsteuerabzug“
In der Rechtssache C-334/10
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 11. Juni 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Juli 2010, in dem Verfahren
X
gegen
Staatssecretaris van Financiën
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter M. Safjan, M. Ilešič, E. Levits und J.-J. Kasel (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels und M. Noort als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 1. März 2012
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a und b, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c und Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung (ABl. L 102, S. 18, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen X (im Folgenden: Steuerpflichtige), einer der Mehrwertsteuer unterliegenden Personengesellschaft, und dem Staatssecretaris van Financiën wegen des Abzugs der von der Steuerpflichtigen entrichteten Vorsteuer auf Ausgaben für dauerhafte Umgestaltungen eines ihrem Unternehmen zugeordneten Investitionsgutes im Hinblick auf eine vorübergehende private Verwendung durch die Steuerpflichtige.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Dienstleistungen gegen Entgelt werden gleichgestellt:
a) die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat;
b) die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.
Die Mitgliedstaaten können Abweichungen von diesem Absatz vorsehen, sofern solche Abweichungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen.“
Rz. 4
Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie sieht vor:
„A. Im Inland
(1) Die Besteuerungsgrundlage ist:
…
c) bei den in Artikel 6 Absatz 2 genannten Umsätzen der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung;
…“
Rz. 5
Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge ...