Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug, Erwerb von Fahrzeugen für Leasinggeschäfte, Leasing als Lieferung oder Dienstleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ist Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat einem Steuerpflichtigen den Abzug der beim Erwerb von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat entrichteten Vorsteuer nicht verweigern kann, wenn diese Gegenstände für Leasinggeschäfte in einem anderen Mitgliedstaat verwendet wurden, die als Ausgangsumsätze in diesem zweiten Mitgliedstaat nicht der Mehrwertsteuer unterlagen.
2. Der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken steht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wenn also ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen beschließt, von seiner in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft Gegenstände an ein im ersten Mitgliedstaat ansässiges Drittunternehmen verleasen zu lassen, um zu vermeiden, dass auf die Entgeltzahlungen für diese Umsätze, die im ersten Mitgliedstaat als im zweiten Mitgliedstaat erbrachte Vermietungsdienstleistungen und im zweiten Mitgliedstaat als im ersten Mitgliedstaat erfolgte Lieferungen von Gegenständen gelten, Mehrwertsteuer erhoben wird, dem in Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie verankerten Recht auf Vorsteuerabzug nicht entgegen.
Normenkette
EWGRL 388/77 Art. 17 Abs. 3 Buchst. a
Beteiligte
The Commissioners for HM Revenue and Customs |
RBS Deutschland Holdings GmbH |
Verfahrensgang
Court of Session (Schottland) (Urteil vom 10.07.2009; Abl.EU 2009, Nr. C 267/30) |
Tatbestand
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Recht auf Vorsteuerabzug ‐ Erwerb von Fahrzeugen und Verwendung für Leasinggeschäfte ‐ Unterschiede zwischen den Steuerregelungen zweier Mitgliedstaaten ‐ Verbot missbräuchlicher Praktiken“
In der Rechtssache C-277/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Court of Session (Scotland) (First Division, Inner House) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 10. Juli 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Juli 2009, in dem Verfahren
The Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs
gegen
RBS Deutschland Holdings GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters D. Šváby, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász und J. Malenovský,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: N. Nanchev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der RBS Deutschland Holdings GmbH, vertreten durch C. Tyre, QC, und J.-F. Ng, Barrister,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth als Bevollmächtigten im Beistand von R. Hill, Barrister,
‐ der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch B. Klein als Bevollmächtigten,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen und R. Holdgaard als Bevollmächtigte,
‐ der Republik Irland, vertreten durch D. O’Hagan und B. Doherty als Bevollmächtigte,
‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Afonso und R. Lyal als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. September 2010
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Richtlinie).
Rz. 2
Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs (im Folgenden: Commissioners) und der RBS Deutschland Holdings GmbH (im Folgenden: RBSD) wegen der Weigerung der Commissioners, den Abzug der Mehrwertsteuer zuzulassen, die beim Erwerb von Kraftfahrzeugen entrichtet worden war, die für Leasinggeschäfte verwendet wurden.
Unionsrecht
Rz. 3
Nach Art. 2 der Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer
„1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
2. die Einfuhr von Gegenständen.“
Rz. 4
Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händl...