Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, Einkünfte in anderem Mitgliedstaat, Progressionsvorbehalt, DBA Belgien/Luxemburg
Leitsatz (amtlich)
Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die auf einem Steuerabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung beruht und die Befreiung der Einkünfte eines Gebietsansässigen, die aus einem anderen Mitgliedstaat stammen und aufgrund eines dort bestehenden Beschäftigungsverhältnisses erzielt werden, davon abhängig macht, dass die Tätigkeit, für die die Einkünfte gezahlt werden, tatsächlich in dem anderen Staat ausgeübt wird, nicht entgegensteht.
Normenkette
AEUV Art. 45
Beteiligte
Verfahrensgang
Tribunal de premiere instance de Liege (Belgien) (Beschluss vom 03.10.2017; Abl.EU 2017, C 437/23) |
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal de première instance de Liège (Gericht erster Instanz Lüttich, Belgien) mit Entscheidung vom 3. Oktober 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Oktober 2017, in dem Verfahren
Benoît Sauvage,
Kristel Lejeune
gegen
État belge
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer A. Arabadjiev in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter C. G. Fernlund (Berichterstatter) und S. Rodin,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Sauvage und Frau Lejeune, vertreten durch M. Gustin, avocat,
- der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin, J.-C. Halleux und C. Pochet als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, H. Shev, L. Zettergren und A. Alriksson als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Gossement und C. Perrin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den Herr Benoît Sauvage und Frau Kristel Lejeune gegen die belgische Steuerverwaltung wegen deren Entscheidung führen, den Teil der in Luxemburg erzielten Einkünfte zu besteuern, der mit der unselbständigen Arbeit von Herrn Sauvage in Zusammenhang steht und den Tagen entspricht, an denen er seine tatsächlich außerhalb des luxemburgischen Hoheitsgebiets unselbständig tätig war.
Rechtlicher Rahmen
Belgisch-luxemburgisches Abkommen
Rz. 3
Das Abkommen zwischen dem Königreich Belgien und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, das zusammen mit dem Schlussprotokoll zu diesem Abkommen am 17. September 1970 in Luxemburg unterzeichnet wurde, sieht in der Fassung des am 11. Dezember 2002 in Brüssel unterzeichneten Zusatzvertrags (im Folgenden: belgisch-luxemburgisches Abkommen) in Art. 15 Abs. 1 und 3 vor:
„(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in den Artikeln 16, 18, 19 und 20 können Löhne, Gehälter und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.
…
(3) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 und unter dem in Abs. 1 genannten Vorbehalt gelten Vergütungen für eine an Bord eines Seeschiffes, Luftfahrzeugs oder Schienen- oder Straßenfahrzeugs im internationalen Verkehr oder an Bord eines Schiffes im Binnenverkehr ausgeübte unselbständige Arbeit als Vergütungen für eine Tätigkeit, die in dem Vertragsstaat ausgeübt wird, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet; sie können in diesem Staat besteuert werden.”
Rz. 4
Art. 23 Abs. 2 Nr. 1 des Abkommens, der regelt, wie die Doppelbesteuerung der in Luxemburg bezogenen Löhne von Personen, die in Belgien ansässig sind, vermieden wird, lautet:
„Die aus Luxemburg stammenden Einkünfte – mit Ausnahme der unter die Nrn. 2 und 3 fallenden Einkünfte – und die in Luxemburg gelegenen Vermögensteile, die nach den vorstehenden Artikeln in diesem Staat besteuert werden können, sind in Belgien von der Steuer befreit. Diese Befreiung schränkt nicht das Recht Belgiens ein, die auf diese Weise befreiten Einkünfte und Vermögensteile bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen.”
Rz. 5
Nr. 8 des Schlussprotokolls des Abkommens bestimmt:
„Im Sinne von Art. 15 Abs. 1 und 2 wird eine unselbständige Arbeit in dem anderen ...