Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Mehrwertsteuer. Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten. Steuerbefreiungen im Zusammenhang mit der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht. Erbringung von das schulische Programm ergänzenden Unterrichtsleistungen. Einrichtung des privaten Rechts, die diese Dienstleistungen zu kommerziellen Zwecken erbringt
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. i
Beteiligte
Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Cluj-Napoca, Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Cluj |
Verfahrensgang
Tribunalul Cluj (Rumänien) (Beschluss vom 23.09.2020; ABl. EU 2021, Nr. C 53/23) |
Tenor
Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass eine private Einrichtung, die dem Gemeinwohl dienende Bildungstätigkeiten ausübt, die u. a. in der Organisation von ergänzenden Aktivitäten zum Lehrplan bestehen – wie Unterstützung für Hausaufgaben, Bildungsprogramme, Sprachkurse – und die durch das Nationale Handelsregisteramt eine Genehmigung in Form der Zuweisung des CAEN-Codes 8559 – „nicht anderweitig eingestufte übrige Bildungsangebote” im Sinne der Klassifizierung der nationalen Wirtschaftstätigkeit erhalten hat, nicht unter den Begriff „Einrichtungen mit … anerkannter vergleichbarer Zielsetzung” wie eine öffentlich-rechtliche Bildungseinrichtung im Sinne dieser Vorschrift fällt, wenn dieses Unternehmen nicht in jedem Fall die im nationalen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für diese Anerkennung erfüllt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul Cluj (Landgericht Cluj [Klausenburg], Rumänien) mit Entscheidung vom 23. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 17. November 2020, in dem Verfahren
Happy Education SRL
gegen
Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Cluj-Napoca,
Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Cluj
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin (Berichterstatter), des Richters J.-C. Bonichot und der Richterin O. Spineanu-Matei,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Happy Education SRL, vertreten durch A. Manole, Avocat,
- der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und L.-E. Baţagoi als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und A. Armenia als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i sowie der Art. 133 und 134 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Happy Education SRL einerseits und der Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Cluj-Napoca (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Cluj-Napoca [Klausenburg], Rumänien) sowie der Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Cluj (Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen Cluj, Rumänien) (im Folgenden zusammen: Finanzbehörden) andererseits über die Ablehnung der Finanzbehörden, die von Happy Education erbrachten, das schulische Programm ergänzenden Unterrichtsleistungen von der Mehrwertsteuer zu befreien.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Titel IX („Steuerbefreiungen”) der Richtlinie 2006/112 enthält u. a. ein Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten”). In diesem Kapitel bestimmt Art. 132 Abs. 1:
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
…
i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;
…”
Rz. 4
Art. 133 dieser Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der Befreiungen nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l, m und n für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einzelfall von der Erfüllung einer oder mehrerer der folgenden Bedingungen abhängig machen:
- Die betreffenden Einrichtungen dürfen keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.
- Leitung und Verwaltung dieser Einrichtungen müssen im Wesentlichen ehrenamtlich durch Personen erfolgen, die weder selbst noch über zw...