Leitsatz
1. Steht Art. 168 Buchst. a in Verbindung mit Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug in den Fällen, in denen ein Zuordnungswahlrecht beim Leistungsbezug besteht, ausgeschlossen ist, wenn bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung keine für die Finanzbehörden erkennbare Zuordnungsentscheidung abgegeben wurde?
2. Steht Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der eine Zuordnung zum privaten Bereich unterstellt wird bzw. eine dahingehende Vermutung besteht, wenn keine (ausreichenden) Indizien für eine unternehmerische Zuordnung vorliegen?
Normenkette
§ 15 Abs. 1 UStG, Art. 167, Art. 168 Buchst. a, Art. 250 Abs. 1, Art. 252, Art. 273 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Der Kläger erwarb im Jahr 2014 (Streitjahr) eine Fotovoltaikanlage. Den erzeugten Strom verbrauchte er teilweise selbst, teilweise speiste er ihn in das Stromnetz seines Energieversorgers ein. Der Einspeisevertrag wurde im Streitjahr abgeschlossen und sah eine Vergütung zuzüglich Umsatzsteuer vor.
Am 29.2.2016 gab der Kläger die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ab und zog u.a. auf die Fotovoltaik-Anlage entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer ab.
Das FA versagte nach einer Außenprüfung den Vorsteuerabzug. Der Kläger habe seine Zuordnungsentscheidung nicht rechtzeitig (bis zum 31.5.2015) getroffen. Einspruch und Klage (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.9.2018, 14 K 1538/17, Haufe-Index 13532773) hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH legte dem EuGH die im Tenor genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor.
Hinweis
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (grundlegend BFH, Urteil vom 7.7.2011, V R 42/09, BFH/NV 2011, 1980, BStBl II 2014, 76) setzt bei einem gemischt (unternehmerisch und unternehmensfremd im engeren Sinne) genutzten Gegenstand der Vorsteuerabzug voraus, dass der Unternehmer den Gegenstand bis zum Ablauf der Frist zur Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung dem Unternehmensvermögen erkennbar zugeordnet hat (sog. Zuordnungsentscheidung). Der BFH stützt diese Rechtsprechung auf drei grundlegende Urteile des EuGH (EuGH, Urteil vom 11.7.1991, C-97/90, Lennartz, Haufe-Index 60604, EuZW 1991, 539; EuGH, Urteil vom 4.10.1995, C-291/92, Armbrecht, Haufe-Index 60648, EU:C:1995:304, BStBl II 1996, 392; EuGH, Urteil vom 8.3.2001, C-415/98, Bakcsi, Haufe-Index 546079, HFR 2001, 632), die später mehrfach bestätigt wurden. Die Pflicht zur Zuordnung innerhalb der Frist gilt auch bei zukünftig beabsichtigter unternehmerischer Nutzung (BFH, Beschluss vom 14.2.2017, V B 154/16, BFH/NV 2017, 767, Rz. 10 f.).
2. Ob dies mit Unionsrecht vereinbar ist, ist nach dem EuGH-Urteil Gmina Ryjewo (EuGH, Urteil vom 25.7.2018, C‐140/17, Haufe-Index 11881411, UR 2018, 687) zweifelhaft geworden (vgl. zum Streitstand z.B. Heuermann, MwStR 2018, 1000; Hummel, DStZ 2018, 932, 940; Kessens, MwStR 2019, 308; Meurer, MwStR 2018, 859, 865; Wäger, UR 2019, 41; Widmann, UR 2018, 666, 669).
3. Der BFH hat darauf dadurch reagiert, dass er mit den Verfahren XI R 3/19 und XI R 7/19 zwei Revisionen zugelassen und zu der Frage den EuGH um Vorabentscheidung ersucht hat. Die Vorlage XI R 7/19 zeichnet sich dabei dadurch aus, dass es um eine Fotovoltaik-Anlage geht und der Unternehmer ein Unternehmensgründer ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 18.9.2019 – XI R 7/19